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Eine Plakataktion, die begeistert und polarisiert, startet ihr erstes Musikfest.
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Wien. Was auf Facebook beginnt, das muss nicht dort enden. Das soziale Netzwerk ist längst Plattform für gesellschaftliche Bewegungen, die sich online schneller als bisher vernetzen können. Den Weg über das Internet hinaus, den will am Samstag die Initiative "Wir sind Österreich" beschreiten. Bis jetzt ist es lediglich eine Facebook-Gruppe, die mit provokanten Plakaten Aufmerksamkeit bekommen hat.

Der Slogan "Wir sind Österreich" wurde auf etliche Fotos gestellt, die Alt- und ebenso Neu-Österreicher zeigen. "Die Idee entstand 2010, als rechtspopulistische Sprüche in der Politik medial zu viel Platz bekamen", berichtet der Kommunikationswissenschafter Ernst Tradinik, "Nun wollten wir einmal jenen, die kein Problem mit Integration haben, viel Platz geben." Diesen Samstag findet in Greifenstein, 20 Minuten von Wien, erstmals das "Wir sind Österreich-Festival statt, bei dem Bands mit ihrem Auftritt die Initiative unterstützen werden.
Tradinik, der bisher primär Projekte im Sozial- und Medienbereich geleitet hat, steht seit Anfang hinter der Aktion. Mehr als 5200 Facebook-Fans hat die Gruppe zurzeit. Auf die anfangs positiven Reaktionen folgten später vereinzelt auch negative. Denn die Fortsetzung des Spruchs hat nicht allen behagt. "Wir sind Österreich - und stolz auf unsere Heimat". . .
Das sei ein bisschen provokant formuliert und auch etwas angelehnt an rechte Plakate, erzählt Tradinik. Zuweilen hätten die Plakate deshalb polarisiert. "Heimat - der Begriff ist für manche problematisch; sie distanzieren sich sofort davon und wollen nichts damit zu tun haben.", Schließlich gab es ja die Erfahrung des Nationalsozialismus.
"Ich wollte Heimat für mich persönlich neu definieren", erzählt Tradink. "Mir ist wichtig, dass Leuten, die Österreich als ihre Heimat begreifen, nichts in den Weg gelegt wird. Man kann auch stolz darauf sein, Österreicher zu sein und in Österreich zu leben, selbst wenn man erst seit zwei Monaten hier lebt." Keine negativen Reaktionen bekam Tradinik von Migranten. Mittlerweile haben schon einige angefragt, ob sie auch auf das Plakat kommen.
Normale Sicht auf Österreich
"Dieses Fest ist eine gute Möglichkeit zu zeigen, dass in Österreich auch dunkelhäutige Menschen leben und Positives beitragen", meint Marjorie Etukudo, die mit ihrer Band auftreten wird. An der Schwelle von Acid Jazz und Funk ist die Musik der 27-jährigen Wienerin, deren Wurzeln in Nigeria sind. Mit ihrer Stimme und ihrer Bühnenpräsenz konnte sie bereits Erfolge erzielen, als Vorgruppe für US Rapper 50 Cent etwa oder seit 2004 gemeinsam mit der Band "the Christmas Gospel". Doch es ist nicht leicht. "Österreich hat ganz viele tolle Jazz- und Blues-Musiker, nur bekommt nicht jeder eine Chance, weil die klassische Musik mehr gefördert wird und der Markt nicht so groß ist." Manche hat es daher schon ins Ausland verschlagen, nicht Marjorie Etukudo: "Mein Zentrum ist Österreich." Der Respekt gegenüber Schwarzen hat in den letzten Jahren aus ihrer Sicht zugenommen. "Idioten gibt es überall, nur darf man das nicht so persönlich nehmen."
Durchaus ein Problem mit "Heimat" hat "Der Schwimmer" alias Klaus Tschabitzer, ein Rock’n‘Roll-Musiker und Guitarrist, der am Samstag ebenfalls dabei ist. "Das ist ein sehr übel belegter Begriff in Österreich. Er würde mir gerne gut gefallen, aber man müsste dann halt einen neuen Entwurf entwickeln." Die Plakate gefallen ihm dennoch, weil sie die "normale Sicht auf Österreich" zeigten, ohne jede Ausländerfeindlichkeit.
Rock’n‘Roll hat für Tschabitzer auch eine politische Bedeutung, schließlich stammt die Musik ja von schwarzen Afrikanern, die sich zunächst in den USA gegen eine de-facto-Apartheid behaupten mussten.
"Es ist gut, dass wir Menschen so verschieden sind, weil so können wir uns besser ergänzen", sagte einmal eine Taxifahrerin zu Tradinik. "Das hat mich besonders beeindruckt."