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Tetovo - Salven aus automatischen Waffen hallen aus den Bergen über der mazedonischen Albanerhochburg Tetovo. Der enthusiastische Jubel tausender Demonstranten über die Schüsse übertönt sogar die Brandreden, mit denen radikale Albaner am Mittwoch gegen den "Staatsterror der Mazedonier" protestieren.
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Ein paar Kilometer entfernt in den umliegenden Bergen haben Kämpfer der mazedonischen-albanischen Rebellenbewegung "Nationale Befreiungsarmee" (UCK) Stellung bezogen. Ein weiterer Balkan-Krisenherd ist entflammt.
"Wir sind hier, um unsere Stimme gegen den Terror und die Gewalt des mazedonischen Staates zu erheben", ruft Myquereme Rusi, Vorsitzende des albanischen Frauenverbandes in Mazedonien, der Menge zu. Der mazedonische Staat habe die Probleme selbst geschaffen, die jetzt in den von Rebellen besetzten Dörfern an der Grenze zum Kosovo aufbrechen. Verfassungsänderungen, die auf einen albanischen Teilstaat in Mazedonien hinauslaufen, seien die einzige Lösung, hämmern Redner auf der Kundgebung ihren Zuhörern ein. "UCK, UCK", skandiert die Menge zurück.
Doch die Atmosphäre ist nicht im ganzen Land so aufgeheizt, wie es in den Krisengebieten entlang der Grenze zum Kosovo scheint, wo es jeden Tag neue Schießereien zwischen Rebellen und Sicherheitskräften gibt. Ein ranghoher westlicher Diplomat in der Hauptstadt Skopje ist überzeugt, dass eine Mehrheit der Albaner dem Staat Mazedonien gegenüber auf "pragmatische Art" loyal ist. Angeführt von der an der Regierung beteiligten Albanerpartei DPA des Politikers Arben Zhaferi seien sie zu einem "Marsch durch die Institutionen" bereit. Zeitgleich mit der Eskalation der Gewalt ist allerdings eine neue Albanerpartei auf der politischen Bühne erschienen, die von Beobachtern als politischer Flügel der Rebellen verstanden wird. Diese "Nationale Demokratische Partei" (PDK) ist ein Sammelbecken radikaler Kräfte. Sie fordert, Mazedonien in eine Konföderation zu teilen.
Die Gewalt der Rebellen treibt derweil die Radikalisierung in Mazedonien auf allen Seiten voran: Aus einem umkämpften Ort am Berghorizont über Tetovo steigen Flammen auf. Der Balkan erzittert neuerlich im Maschinengewehrfeuer.