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Ein neuer Ton nach Trumps aggressiver Deregulierung

Von Talib Sheikh

Gastkommentare
Talib Sheikh ist Multi-Asset-Chefstratege bei Jupiter Asset Management.
© Jupiter

Bidens Einzug ins Weiße Haus könnte Anleger freuen.


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Die handelspolitischen Auswirkungen von Joe Bidens Wahlsieg sind nicht so eindeutig, wie man vielleicht denkt. Eine harte US-Politik gegenüber China, insbesondere in Bezug auf geistiges Eigentum und das Südchinesische Meer, gab es schon vor Donald Trump. Es ist davon auszugehen, dass die politische Risikoprämie wegen der globalen Handelsdispute bestehen bleibt. Insbesondere wenn es den USA gelingt, China den Zugang zu geistigem Eigentum zu verwehren, mit dem es zum Westen aufschließen könnte, wird dies das potenzielle BIP-Wachstum in China verlangsamen und langfristig einen Dominoeffekt in der gesamten Region auslösen.

Es gibt jedoch auch wesentliche Unterschiede. Die Außenpolitik dürfte unter Biden eher hinter den Kulissen betrieben werden: weniger öffentlich, weniger unberechenbar. Dies verringert das Risiko für große Schlagzeilen wie 2019 im Zusammenhang mit dem Welthandel und dürfte die Marktvolatilität verringern. Dieser gelassenere Ansatz wird in der gesamten US-Außenpolitik zu spüren sein. Das Risiko einer Überreaktion oder eines Fehltritts in den Beziehungen zu China wird geringer sein. Deshalb sind wir für Aktien aus der Region rund um China positiv gestimmt.

Biden dürfte auch eine engere Beziehung zur Europäischen Union aufbauen, besonders im Hinblick auf die Politik gegenüber Russland und den Nahen Osten. Allerdings sind konkrete Maßnahmen unwahrscheinlich. Die US-Einwanderungspolitik unter Biden dürfte weniger restriktiv sein, was sich langfristig positiv aufs BIP-Wachstum der USA auswirken sollte.

Der zweite wichtige Unterschied zu Trump ist die Regulierung in den Bereichen Technologie, Umwelt und Gesundheitswesen. Alle drei sind für die linke Seite der demokratischen Partei von zentraler Bedeutung und wurden in den Vorwahldebatten heiß diskutiert. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Biden am Ende weniger erreichen wird als erhofft - in den Vorwahldebatten gab es bereits mehrere Meinungsumschwünge um politische Ziele.

Die Wirtschaft wird in einem fragilen Zustand verharren, bis sie sich von der heurigen Rezession erholt hat. In dieser Zeit wird es schwierig, jene Gänse zu schlachten, die die goldenen Eier in der US-Wirtschaft legen. Radikale Veränderungen würden auf juristischen Widerstands stoßen und sind daher nicht zu erwarten. Aber Biden dürfte nach Trumps aggressiver Deregulierung einen neuen Ton anschlagen: Insbesondere gibt es Spielraum für eine höhere Besteuerung von Big Tech, ohne die US-Dominanz auf diesem Markt zu schwächen. Die oligopolistische Marktmacht, die viele dieser Konzerne genießen, dürfte sich dennoch kaum wesentlich ändern. Das US-Wachstum wird wohl den Rest der westlichen Welt weiterhin übertrumpfen.

Die US-Geldpolitik dürfte sich kaum ändern. Eine Kombination aus der Überprüfung der Fed-Instrumente und einem demokratischen Konjunkturpaket wäre aber die beste Chance seit Jahren für eine Rückkehr der Inflation. Das hätte tiefgreifende Folgen für Anleger: steilere Zinskurven, potenziell höhere Zinssätze und bessere Aussichten für zyklische Vermögenswerte. Dies ist jedoch Zukunftsmusik. Vorerst kämpft die Welt gegen die deflationären Auswirkungen des Nachfrageschocks aufgrund der Pandemie.