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"Ein Fest der Freude für die Menschen" hat die römisch-katholische Kirche zuletzt zu Weihnachten und zu Ostern plakatiert und auf Geburt und Auferstehung von Jesus Christus hingewiesen. Hat sich die Kirchenleitung damit eine Fleißaufgabe oder nur unserer von Werbung durchfluteten Zeit ein Zugeständnis gemacht?
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Oder hat sie bereits echte Zweifel daran, dass diese Feste und ihre Bedeutung noch so gut wie jedem in Österreich geläufig sind, wovon man bis vor wenigen Jahren sicher ausgehen konnte? Oder will sie sich nur in Zeiten einer offensichtlichen Kirchenkrise immer wieder in Erinnerung rufen?
Die Stimme der Kirche hat im Land an Gewicht verloren, die Politik hört kaum noch auf sie, der Anteil ihrer Mitglieder an der Bevölkerung schwindet. Das bewirken nicht nur viele nichtchristliche Zuwanderer, das liegt auch daran, dass viele Getaufte ihrer Kirche den Rücken gekehrt haben. Anlässe dafür fanden sich, vor allem für jene, die ohnedies nicht mehr überzeugte Gläubige waren, in jüngster Zeit oft: die Haltung des Papstes zu den Pius-Brüdern mit dem Holocaust-Leugner Richard Williamson in ihren Reihen; die Ernennung eines Bischofs, den man nicht mag; das Festhalten am Verbot der künstlichen Empfängnisverhütung und am Zölibat; die Einstellung zu Frauen; Fälle von sexuellem Missbrauch durch Priester et cetera.
Die äußerst heterogene und pluralistische Herde kritisiert die Hirten von allen Seiten. Priester- und Laieninitiativen fordern Reformen, andere rufen zur Papsttreue auf. Und die engsten Mitarbeiter im Weinberg des Herrn, Priester und Ordensleute, werden knapp. Das bedeutet: Man ist in etlichen ländlichen Regionen gezwungen, das Angebot an Gottesdiensten und geistlicher Betreuung zu reduzieren. Mit der Folge, dass ein Teil des Kirchenvolks, vor allem die Jungen, kaum mehr die Kirche besucht. Auch durchaus konservative Geistliche treten bereits dafür ein, dass man die Zulassungsbedingungen zu Weiheämtern, insbesondere den Zölibat, überdenkt. Denn sonst droht ein pastoraler Notstand zu entstehen und unter Umständen, die sich bereits anbahnen, werden geweihten Personen vorbehaltene Handlungen immer mehr von Laien gesetzt und das Weiheamt an sich wird immer mehr in Frage gestellt.
In dieser Situation tritt jetzt ein neuer Vertreter des Papstes sein Amt in Wien an: Erzbischof Stephan Zurbriggen. Jeder weiß, dass die Schlüssel für etwaige innerkirchliche Reformen - ohne die ein weiterer Bedeutungsverlust der Kirche vorgezeichnet erscheint - in Rom liegen. Es wird stark vom neuen Nuntius und seinen Berichten in den Vatikan abhängen, wie es in der katholischen Kirche Österreichs weitergeht.