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Ein neues EU-Gericht soll Patente stärken

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv
Der Schutz von Erfindungen kommt mangels einheitlichem Rechtstitel in der EU derzeit sehr teuer. Foto: bilderbox

Kostspielige und komplexe Verfahren. | Gemeinsame Rechtsprechung ist erster Schritt. | Brüssel. Der Schutz von Erfindungen in der Union ist teuer und rechtlich nur schlecht durchsetzbar. Seit rund 40 Jahren streiten sich die Mitgliedstaaten ergebnislos über die Schaffung eines gemeinsamen EU-Patents. In einem neuen Anlauf will Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy eine gemeinsame EU-Rechtsprechung für Patentstreitigkeiten schaffen, die die Kosten für die Durchsetzung der Patente senken und die Rechtssicherheit erhöhen soll. Ein "zentrales Berufungsgericht" der Union, dem nationale Gerichte als erste Instanz vorgeschaltet sein könnten, und ein einheitliches Register müssten geschaffen werden, heißt es in dem der "Wiener Zeitung" vorliegenden Entwurf eines Strategiepapiers, das McCreevy morgen, Mittwoch, vorstellen will.


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#EU-Patent ist weiter "Schlüssel-Ziel"

Die Schaffung des gemeinsamen EU-Patents sei zwar weiterhin ein "Schlüssel-Ziel" für Europa. Das Projekt liegt aber wegen Unstimmigkeiten über die notwendigen Übersetzungen in alle Amtssprachen der EU (derzeit 23, darunter Gälisch) seit Jahren überhaupt auf Eis. Eine einheitliche Rechtsprechung könnte den Weg zu einem "leistbaren und rechtssicheren Gemeinschaftspatent" ebnen, schreiben McCreevy's Beamte.

Schon derzeit gibt es das nicht der EU unterstehende Europäische Patentamt (EPA) in München, das seit 1980 rund 800.000 so genannte Europäische Patente genehmigt hat. Das Europäische Patent ist aber kein einheitlicher Rechtstitel, sondern lediglich ein Bündel nationaler Patente, dass beim EPA über ein einheitliches Verfahren erworben werden kann. Bei Streitfällen muss das Patent in jedem einzelnen Land, für das es erworben wurde, nach dortigem Recht geklagt werden.

Mehr als 90 Prozent der Gerichtsverfahren werden derzeit in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden geführt. Die Kosten für einen Patentfall betragen nach Erhebungen der Kommission in Deutschland für eine durchschnittliche Streitsumme von 250.000 Euro um die 50.000 Euro für die erste Instanz und 90.000 für die Berufung. Spitzenreiter bei den Prozesskosten ist Großbritannien mit 310.000 bis 1,95 Millionen Euro plus 320.000 bis

1,39 Millionen Euro für den gesamten Instanzenzug.

Enorme Einsparungen wären möglich

Mit einem Europäischen Patentgericht könnten bis zu 43 Prozent in erster und 45 Prozent in zweiter Instanz eingespart werden, rechnet die Kommission. Für Klein- und Mittelunternehmen, die unter dem derzeitigen System besonders leiden, könnte es Gebührenerleichterungen geben. Denn schon die Eintragung eines Europäischen Patents kostet - etwa wegen der nötigen Übersetzungen - mit durchschnittlich gut 30.000 Euro drei Mal so viel wie in den USA.

Bei der Entwicklung der einheitlichen EU-Rechtsprechung möchte sich McCreevy "stark vom EPLA-Modell inspirieren" lassen. Das EPLA (European Patent Litigation Agreement) ist ein weit gediehener Entwurf für ein multilaterales Abkommen zur Schlichtung von Patentstreitigkeiten außerhalb der EU-Verträge. Es sähe einen Gemeinsamen Patentgerichtshof der EPLA-Vertragsstaaten vor. McCreevys Idee vom Herbst 2006, die EU könnte als Vorstufe zum Gemeinschaftspatent dem EPLA beitreten, zerschellte am Widerstand Frankreichs: Ein Nicht-EU-Gericht könne nie über die EU urteilen. Das im modifizierten Vorschlag geplante Gericht wäre im EU-Recht verankert und könnte bei Zustandekommen eines gemeinsamen EU-Patents auch darüber urteilen.