Ein Gespenst geht um in Berlin - das Gespenst der "Gentrifizierung". Der Abschied von Schmuddel-Ecken, die der Stadtentwicklung im Weg stehen, fällt schwer.
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Etwas indigniert blickte die feine Eröffnungs-Gesellschaft drein, als an diesem Mittwochabend einige Damen und Herren in Abendroben plötzlich in lautes Protestgeschrei ausbrachen. Geladen ward zur festlichen Eröffnung der Berliner "O2-World", einer riesigen Mehrzweck-Arena für
Sportevents und Megakonzerte mit 17.000 Plätzen.
Der pompöse Bau, der sich ganz bescheiden "Weltereignisraum" nennt, wurde vom US-Milliardär Philip Anschutz errichtet, dem ähnliche Veranstaltungszentren in der halben Welt und etliche Sportvereine gehören, zum Beispiel der Eishockeyklub Eisbären Berlin, die schon am Sonntag ihr erstes Match in der neuen Arena austragen werden. Am heutigen Samstag singt dort Herbert Grönemeyer vor ausverkauftem Haus.
Die Protestler, insgesamt 1000 an der Zahl, ärgern sich über den Monster-Bau, besiegelt er doch das Ende des etwas schmuddeligen "Kiezes" (=Stadtviertels), der unter der DDR städtebaulich heruntergekommen war, obwohl er ziemlich zentral zur Stadtmitte hin liegt. Das dort aufkeimende alternative Leben wird nun durch die Senatsplanung verdrängt, Altmieter müssen zahlungskräftigeren Neuberlinern weichen. "Yuppisierung" und "Gentrifizierung" schimpfen die Gegner.
Den Politikern hingegen fehle das Verständnis für den Protest, wie Bürgermeister Klaus Wowereit meint, seien doch die Arena und die rundherum geplanten Investitionen wahre Job-Maschinen, die Leben in das müde Viertel bringen würden.
Nach dem Volksbegehren gegen die Schließung des Flughafens Tempelhof setzt sich Wowereit damit zum zweiten Mal über den Willen der Bürger hinweg, die sich erfolgreich und dennoch vergebens für eine schonendere Planungsvariante ausgesprochen hatten.
Das Areal, das in den nächsten Jahren zu einem riesigen Zentrum für Medienfirmen, Kreative, Kunstschaffende und Mode-Designer ausgebaut werden soll, und dem Cafés, Kneipen, Geschäfte und Wohnungen folgen sollen, liegt nämlich an beiden Seiten der Spree, im ehemaligen Niemandsland zwischen Ost- und West-Berlin, die an dieser Stelle durch den Fluss getrennt wurden. Während die Investoren, die Berlin dringend braucht, soviel Raum wie möglich beanspruchen, wollen die Bewohner den freien Zugang zum Spree-Ufer. Zugeständnisse und Forderungen differieren indes zwischen 10 und 50 Metern Uferstreifen.
Eine weitere Besonderheit in dieser Gegend bildet die mit 1,3 Kilometern Länge größte Freilichtgalerie der Welt, die "East-Side Gallery". Die ehemalige DDR-Binnenmauer war 1990 aus Freude über die Grenzöffnung von mehr als 100 Künstlern aus 24 Ländern bemalt worden und steht eigentlich unter Denkmalschutz. Hier kann man den berühmten Trabbi sehen, der die Mauer durchbricht, den beinahe obszönen sozialistischen Bruderkuss zwischen Breschnew und Honecker oder eine Art Totenmaske des Sowjet-Dissidenten Andrej Sacharow: durchwegs beliebte Postkartenmotive für "Touris".
Für die Super-Arena aber schlug man dennoch ein 45 Meter breites Loch durch, damit die Besucher den Blick auf die Spree genießen können. Auch dies ein Ärgernis für die Anwohner.
Ich habe Verständnis für beide Standpunkte. Berlin braucht Investoren und Arbeitsplätze. Eine Verdichtung in City-Nähe - nur zwei Kilometer vom Alexanderplatz entfernt - scheint sinnvoll. Berlin braucht aber auch Nischen und Idyllen, die das Leben in der Stadt erträglich machen. Und es braucht die soziale Durchmischung, weil jede Monokultur negative Folgen hat. Konflikte sind also programmiert und unvermeidlich.