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Das politische Taktieren um die Wahl der neuen Leitung des Rechnungshofes verdrängt die sachliche Diskussion um zentrale Herausforderungen, vor denen der Rechnungshof und das Parlament stehen. Denn nicht nur die Regierung strebt einen Kurswechsel an, sondern auch das Parlament täte gut daran. Wenn die Volksvertreter mehr als bisher bei strategischen Entscheidungen für das Land mitwirken wollen, brauchen sie einen in verschiedener Hinsicht neu ausgerichteten Rechnungshof. Dieser könnte für die Regierungskontrolle sowie für die Politik- und Verwaltungsreform entscheidende Beiträge leisten.
Dafür müsste sich das Parlament etwa für das Überarbeiten der Prüfziele des Rechnungshofes einsetzen, die stärker als bisher auf die Wirkungen abgestellt sein sollten. Auch politische Ziele der Regierung sollen vom Rechnungshof geprüft werden dürfen, zum Beispiel hinsichtlich der Abstimmung (horizontal auf Ebene des Bundes, vertikal auch mit den Ländern), der Nachhaltigkeit und der Übereinstimmung mit den EU-2020-Zielen.
Die allgemeine Reformmüdigkeit von Politik und Verwaltung müsste jedenfalls methodisch neu angepackt werden. Es genügt doch nicht, immer wieder dieselben Reformen einzufordern, vielmehr muss sich der Rechnungshof die Frage stellen, ob er selbst das Reformgeschehen richtig prüft. Anderswo werden nämlich die Steuerungsprozesse bei schwierigen Aufgaben - wie etwa Querschnittsmaterien der Gesundheitspolitik oder beim Klimaschutz, die Koordinierung, die Innovationsbereitschaft, die verwaltungsinternen Evaluierungen - vorrangig bearbeitet und die fehlenden institutionellen Reformen thematisiert.
Es kann doch nicht weiter angehen, dass beispielsweise in den stark verflochtenen Stadtregionen die verschiedenen Verwaltungen (Gemeinden, Bezirkshauptmannschaften, Land, Bundesministerien, öffentliche Unternehmen) für sich werken - ohne grundlegende gemeinsame Entwicklungsplanung und Innovationsförderung.
Damit wir uns richtig verstehen: Das Amtsverständnis und die vorrangige Arbeit des Rechnungshofes, nicht die Leistung der Prüfer, gilt es politisch - also seitens der Legislative - zu bewerten beziehungsweise zu klären und neu auszurichten. Dazu gehört etwa:
die strategische Leistung der Regierungen ausführlicher zu prüfen und Verbesserungen anzuregen,
den Wissens- und Erfahrungsschatz von Governance für ein neues Verständnis von Politik- und Verwaltungsreform des Rechnungshofes zu nützen,
den RH auch als Wissensorganisation für modernes öffentliches Handeln zu positionieren, was zum Beispiel verstärkte Kommunikation mit der Öffentlichkeit und der Bürgerschaft verlangt, aber auch zwischen den zahlreichen Rechnungshöfen und mit den Sozialwissenschaftern, die sich für den öffentlichen Sektor engagieren.
Die Abgeordneten des Parlaments haben es in der Hand, die Arbeit des Rechnungshofes neu auszurichten. Es geht um eine inhaltliche Veränderung der Prüfarbeit, um eine verstärkte Behandlung der Regierungsstrategien sowie der schwierigen Querschnittsmaterien. Maßnahmen zur Entwicklung der Planungs- und Evaluierungskultur, der Innovationsbereitschaft sowie für den Bürokratieabbau wären zu leisten. Dafür würde auch ein innerbetrieblicher Modernisierungsschub - zum Beispiel Abbau des hierarchischen Gehabes der Leitung, mehr Entscheidungsspielraum für die Mitarbeiterschaft - eine wichtige Voraussetzung bilden.
Bei der Personalentscheidung sollten die sachlichen Erwägungen eine Rolle spielen und die Chance genützt werden, dass ein effektiverer Rechnungshof dem Parlament, der Bürgerschaft und nicht zuletzt der Demokratiequalität gute Dienste zu leisten hätte.