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Ein neues Rezept

Von Brigitte Pechar

Analysen

Die SPÖ will mit Kanzler Kern der FPÖ die Opferrolle nehmen und ihr damit Wähler abspenstig machen. Eine Analyse.


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Wien. Die SPÖ ist auf der Suche nach einer Alternative zur großen Koalition. Deshalb hat Parteimanager Georg Niedermühlbichler diese Woche erklärt, warum SPÖ-Chef Christian Kern seinen "Plan A" so angelegt hat, wie er ihn angelegt hat, und warum das neue Regierungsprogramm im Wirtschaftsteil und vor allem im Sicherheitspaket eine deutlich konservative Handschrift trägt: Die SPÖ will bei der nächsten Nationalratswahl eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Blau erreichen - also eine Koalition aus SPÖ, Grünen und Neos möglich machen. Ob das dann kommt, ist nicht wichtig - vorerst.

Jetzt geht es vor allem darum, den einstigen SPÖ-Wählern, die ins FPÖ-Lager gewechselt sind, ein Angebot zu machen. Dass dies nicht gelingen kann, wenn von der roten Parteispitze abwärts alle die FPÖ samt ihrer Wählerschaft als rechtsextrem bezeichnen und diese als nicht satisfaktionsfähig erachten, liegt auf der Hand. Diese Erkenntnis ist nun auch in der SPÖ-Zentrale angekommen. Zehn bis 15 Jahre zu spät, wie Politikexperte Peter Hajek anmerkte.

Bundeskanzler Kern muss für die SPÖ Wahlen gewinnen. Da geht es in erster Linie darum, verlorene Wähler zurückzuholen - sowohl von der FPÖ als auch aus dem Reservoir der Nichtwähler, aber auch von der ÖVP. Deshalb habe die SPÖ ihre "offene Flanke" in der Sicherheitspolitik geschlossen, erklärte Niedermühlbichler - ein Zugeständnis an ein Wählerpotenzial, das unsicher und ängstlich in die Zukunft blickt.

Weil die SPÖ immer wieder betont hatte, "nicht mit dieser FPÖ" regieren zu wollen, hat die FPÖ von einer "Ausgrenzungsstrategie" gesprochen. Die Freiheitlichen haben sich in ihrer Opferrolle sehr wohl gefühlt und diese für ihre Zwecke benutzt, um beim p.t. Wahlpublikum die Mitleidsmasche zu ziehen. Auch damit macht die SPÖ jetzt Schluss: "Konziliant im Umgang, hart in der Sache." So will Niedermühlbichler das Verhältnis zur FPÖ neu definieren und seiner Partei gleichzeitig einen größeren Handlungsspielraum verschaffen.

Politikberater Thomas Hofer sieht darin aber auch eine Gratwanderung des SPÖ-Strategen. Es sei richtig, sagt Hofer, die FPÖ zu entmystifizieren, aber gleichzeitig berge das auch ein gewisses Risiko. Denn damit begibt sich die SPÖ gleichzeitig der Möglichkeit, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bei der nächsten Wahl zu dämonisieren und so doch noch ihre Klientel und eventuelle Grün-Wähler zu mobilisieren - wie das zuletzt Michael Häupl in Wien gelungen ist.

Was die Ansage betrifft, die SPÖ strebe eine Koalition mit Grünen und Neos an, so ist diese noch nicht auf fruchtbaren Boden bei den Angesprochenen gefallen. "Schön und gut" wäre die von Niedermühlbichler lancierte Koalitionsvariante, sagte Glawischnig dazu. Aber erst einmal müsse die SPÖ "arbeiten und Ergebnisse liefern" - und zwar welche, die die Bevölkerung spürt. Dazu gehören aus Sicht der Grünen-Chefin vor allem ein gesetzlicher Mindestlohn von 1750 Euro sowie weitere Maßnahmen gegen die laut Sozialbericht katastrophale Lage vieler Frauen. Das sind für Glawischnig "zentrale Punkte" auch mit Blick auf die (noch fernen) Koalitionsverhandlungen. Erfülle die SPÖ diese Anforderungen nicht, wäre "ihre Glaubwürdigkeit erschüttert".

Die Neos würden "weder den Steigbügelhalter noch die Gouvernante auf Abruf machen, damit SPÖ und ÖVP sich gegenseitig wieder einkriegen", konterte Neos-Generalsekretär Nikola Donig. Bei den potenziellen Koalitionspartnern kommt die Zukunftsmusik der SPÖ noch eher wie das Einstimmen der Instrumente vor einem Orchesterkonzert daher.

Und Niedermühlbichler hat mit seinen sehr offenen Strategiespielen auch die eigene Nomenklatura verletzt. Denn laut Umfragen, so hatte er berichtet, lege Kern bei der Beliebtheit kontinuierlich zu. Zweifel daran, ob Kern aber seine Vorhaben auch umsetzen könne, gebe es wegen der vielen "Bremser". Als solche nannte er - in dieser Reihenfolge - die Gewerkschaft, die Partei, den Koalitionspartner ÖVP und schließlich die Wirtschaft. GPA-djp-Chef und Vorsitzender der Fraktion sozialdemokratischer Gewerkschafter Wolfgang Katzian und AK-Präsident Rudolf Kaske haben darauf wenig amüsiert reagiert.

Es bleibt die Frage, warum Niedermühlbichler derart offen aus dem Nähkästchen geplaudert hat. Vielleicht hat er sich einen Spruch von Investmentbankern angeeignet: No risk, no fun.