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Ein Nomade als Finanz-Instanz

Von Peter Muzik

Wirtschaft

US-Geld-Legende Jim Rogers lebt in Singapur und liebt Wien. | Ein Auftritt kostet rund 120.000 Dollar. | Investor schwört auf Rohstoffe und China-Boom.


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Singapur ist sein derzeitiger Wohnsitz - aber dort ist er nur sporadisch anzutreffen. Der 68-jährige Finanz-Guru Jim Rogers, der täglich bloggt und dabei zahlreiche Bonmots sowie so nebenbei etliche Anlagetipps verbreitet, jettet nämlich am liebsten rund um die Welt, um bei großen Events als Starredner in Erscheinung zu treten. Seine nächsten Keynotes sind etwa in Sydney, Melbourne, im kalifornischen Pasadena, Stockholm, Zürich, Salzburg und Shanghai fällig.

Die mindestens zehn Agenturen, die den gebürtigen Ami vermarkten dürfen, verlangen für jeden seiner Auftritte 120.000 Dollar. Rogers, der in der Business Class anzureisen pflegt, stellt obendrein Flug-, Hotel- und Taxikosten in Rechnung. Seinen Auftraggeber ist es das allerdings wert, denn wenn Jim eine Stunde lang über sich und die Welt erzählt, steht immerhin eine der faszinierendsten Persönlichkeiten an den weltweiten Finanzmärkten auf der Bühne.

Rogers, der 1985 der Wiener Börse im Magazin „Barron’s” eine große Zukunft prophezeit hat und sie tatsächlich wachküssen konnte, war zuletzt Mitte Mai auf Einladung der Online-Anlagefirma Brokerjet zu Gast in Wien. Im Austria Center Vienna zog er wie gewohnt seine kurzweilige Show ab, und das Publikum war begeistert.

So nebenbei erwähnte er damals, dass er versuche, in der Bundeshauptstadt eine geeignete Immobilie zu finden. Die Lebensqualität an der Donau beeindrucke ihn so sehr, dass er sich vorstellen könnte, hier seinen Lebensabend zu verbringen. Seine einstige Schwäche für den Wiener Aktienmarkt ist allerdings in den vergangenen Jahren deutlich abgekühlt.

Das große Geld fasziniert ihn schon seit den Siebzigerjahren, als er an der Seite von George Soros den Grundstock seines Reichtums gelegt hat. Schon mit 37 stieg er allerdings aus der täglichen Hektik aus, um seinen Nimbus als legendärer Investor und weltweit gefragter Börsenprofi zu formen. Er wurde Gastprofessor an der Columbia University, betätigte sich als TV-Moderator und schrieb mehrere Bestseller. Für internationale Top-Medien wie die „Financial Times”, „Forbes”, „Time”, das „Wall Street Journal” oder die „New York Times” zählte er rasch zum beliebten Inventar der Finanzseiten.

Zwei Trips rund

um die ganze Welt

1990 erfüllte sich der Harley-Davidson-Fan einen langen Traum: Gemeinsam mit einem Freund legte er 100.000 Kilometer rund um die Welt zurück. Er wollte die politischen und wirtschaftlichen Realitäten aus erster Hand kennenlernen und verstehen, was manche Nationen erfolgreich macht und andere in den Ruin treibt. Der fast zweijährige Motorrad-Trip brachte ihm eine Eintragung ins „Guinness-Buch der Rekorde”.

Am 1. Jänner 1999 trat er, diesmal mit seiner Frau Paige, erneut eine ausgedehnte Weltreise an, die das Ehepaar durch 116 Länder auf sechs Kontinenten führte. Dabei durchquerte er Kriegszonen, Wüsten und Dschungelgebiete, war mit Blizzards und Epidemien konfrontiert und konnte exakt studieren, wie die Weltwirtschaft funktioniert. Die Reise in einem knallgelben Mercedes SLK ging nach 1101 Tagen und 245.000 Kilometern am 5. Jänner 2002 in New York zu Ende. Die Erfahrungen, die er in Asien, Afrika und Südamerika vor Ort sammeln konnte, prägten ihn nachhaltig.

Rogers, der unter anderem in Portugal und Botswana enorme Gewinne mit unterbewerteten Aktien abgesahnt und eine Vorliebe für unentdeckte Märkte hat, sieht sich letztlich nicht als profitgeiler Spekulant in Sachen Aktien oder Währungen, sondern definiert sich lieber als langfristig orientierter Investor. Er schwört primär auf Rohstoffe: Mit Reis hat er seine schönsten Renditen erzielt.

Gold zu kaufen ist für Rogers sowieso ein Muss. Der Star-Investor setzt angesichts anhaltend unruhiger Zeiten an den weltweiten Finanzmärkten auch auf Gold als krisensichere Anlage. „Für lange Zeit habe ich keine Absicht, mein Gold zu verkaufen”, sagte Rogers bereits im Februar. „Ich bin mir sicher, dass Gold die 2000 Dollar je Feinunze in den nächsten neun bis zehn Jahren erreichen wird”, so der Rohstoff-Experte damals. Aktuell kostet die Feinunze des Edelmetalls, hochgetrieben durch weltweite Ängste rund um die Schuldenkrise, 1600 Dollar.

Seine Basisweisheit lautet: „Kaufe nur, was du auch verstehst, und nie das, was andere dir raten.” In Brasilien beispielsweise sah er viele Menschen, die statt Benzin Zucker tankten, weil Zucker wesentlich billiger ist. „Bei steigenden Ölpreisen”, folgert Rogers daraus, „sollte man also in Zucker investieren.”

Unkonventionell sind seine Ratschläge allemal: An der Universität Oxford riet er Studenten unlängst, besser keine Finanz-Karriere an der Wall Street oder an der Londoner Stock Exchange anzustreben, sondern sich dafür auf Agrarwesen und Bergbau zu konzentrieren. Bald darauf startete der Finanz-Guru, der um den Dollar einen großen Bogen macht, den „Rogers Global Resources Equity Index”. Dieser umfasst alle Top-Konzerne aus den Bereichen Landwirtschaft, herkömmliche sowie alternative Energie, Metalle und Bodenschätze.

Rogers empfiehlt

Chinesisch-Lernen

Einer seiner beliebtesten Tipps lautet „Lernen Sie Mandarin”. Das basiert auf der Überzeugung, dass China im 21. Jahrhundert die dominante Wirtschaftsmacht sein und sowohl die USA als auch Europa in den Schatten stellen werde. Rogers, der im fortgeschrittenen Alter noch zweimal Vater wurde, obwohl er Kinder stets für nicht erstrebenswert gehalten hatte, zog daraus persönliche Konsequenzen: Vor drei Jahren brach er seine Zelte in New York ab und übersiedelte samt Familie nach Singapur, weil die Umweltverschmutzung dort bei weitem nicht so ausgeprägt ist wie etwa in Beijing, Shanghai oder Hongkong. Er findet am asiatischen Markt ein riesiges Investment-Potenzial vor, wobei er neben China auch Sri Lanka oder Kambodscha hoch einschätzt.

Die ältere Tochter lernt bereits fleißig Chinesisch. Jim Rogers ist überzeugt, dass seine beiden „Mädels” in Singapur optimale Startbedingungen ins Leben haben - ungleich bessere jedenfalls als in New York, London oder sonst wo. Sein spätes familiäres Glück verarbeitete er in dem 2009 erschienenen Buch „A Gift To My Children”, und mit etlichen Konten ist auch für die Zukunft des Nachwuchses vorgesorgt. Und wenn es mit dem neuen Wohnsitz in Wien klappt, steht der Familie Rogers ein Neustart in der alten Welt bevor.