EU-Wachstum ist stärker vom Ölpreis gefährdet. | Österreich beim Öl-Import in relativ guter Position. | Reservenfreigabe drückt Ölpreise. | Paris/Wien. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat ihre Wachstumprognose für die Euro-Zone leicht angehoben und rechnet nun mit einem BIP-Plus von 1,3% statt bisher 1,2%. Aber das zarte Aufschwungspflänzchen ist bedroht: Denn der Ölpreisschock und seine Verstärkung durch den Wirbelsturm "Katrina" könnten Europa stärker belasten als die USA.
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Angesichts ihres deutlich geringeren Wachstums seien die Staaten der Eurozone in dieser Beziehung "verletzlicher", sagte OECD-Chefvolkswirt Jean-Philippe Cotis am Dienstag in Paris.
Die Weltwirtschaft erlebe zur Zeit einen Ölschock "großen Ausmaßes", sagte Cotis. Allein seit Mai seien die Preise um rund 20 Dollar pro Fass (159 Liter) gestiegen. "Wir haben keine Ahnung, wann das aufhören wird." An den Märkten gebe es deshalb "eine sehr große Unsicherheit", sagte der OECD-Volkswirt. Dies könne sich auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmen auswirken und die Wirtschaft insgesamt belasten. Durch "Katrina" könne der Ölschock nun "eine Verstärkung erfahren".
Cotis verwies darauf, dass die Preise für Öl-Termingeschäfte weiter stiegen. Dies liege offenbar an der Einschätzung, "dass erhöhte Preise noch einige Zeit vorherrschen werden". Allerdings sei der Ölschock zur Zeit noch schwächer als Ende der 70er Jahre. Damals habe das Fass in vergleichbaren Preisen rund 85 Dollar gekostet.
Zu den Folgen für die Wirtschaft in den USA und Europa zog Cotis einen Vergleich mit einem Rugby-Spieler: "Wenn der schnell rennt und gerempelt wird, dann läuft er zwar etwas Zick-Zack, setzt seinen Weg aber fort", sagte der OECD-Chefvolkswirt zu den Vereinigten Staaten. Europa sei dagegen schon schwach gestartet, weshalb es ihm am Dynamik fehle, um den Aufprall zu kompensieren. "Der Schock ist deshalb größer."
Nach den jüngsten Prognosen der OECD, die noch vor "Katrina" erstellt wurden, wird die US-Wirtschaft in diesem Jahr um 3,6% wachsen. Für Deutschland senkte die Organisation nach dem Nullwachstum im 2. Quartal ihre Wachstumsvorhersage aus dem Mai für 2005 von 1,2 auf 1%.
Der Vorsitzende des deutschen Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Bert Rürup, rechnet zunächst zwar nicht mit negativen Effekten für die deutsche Konjunktur, aber: "Wenn der hohe Ölpreis langfristig anhält, gilt eine Faustformel: Ein 10% höherer Ölpreis senkt das Wachstum um 0,1%".
Österreich bei Ölimport in guter Position
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) verwies unterdessen darauf, dass die Abhängigkeit Österreichs von Rohölimporten im Vergleich zu anderen Industriestaaten geringer sei. Die Alpenrepublik wendet demnach nur 0,7% ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Rohölimporte auf. Deutschland und Frankreich sind mit jeweils 1,1% des BIP schon stärker betroffen. Der Anteil in den USA liegt bei 1,2%, in Belgien bei 2,5% und in Südkorea sogar bei 4,4%.
"Wir müssen unabhängiger vom Öl werden", forderte daher auch der Leiter des UN-Umweltprogramms (UNEP), Klaus Töpfer. Es bedürfe einer globalen Energiewende und mehr Unabhängigkeit vom Öl. Denn "eine signifikante Senkung der Rohölpreise wird es nicht mehr geben". Dafür sei die Nachfrage auf den Weltmärkten viel zu groß. Und "Katrina" habe gezeigt, dass die Situation auf den weltweiten Energiemärkten "sehr schnell eskalieren" könne, betonte Töpfer. Er forderte unter anderem den Ausbau erneuerbarer Energien, effizientere Kraftwerke, sparsamere Kraftfahrzeuge, neue Treibstoffe sowie verstärkte Anstrengungen beim Energiesparen.
EU-Energiekommissar Andris Piebalgs erwartet in den nächsten Jahren auch eine größere Rolle für die nukleare Energie in der Energieversorgung der EU.
Unterdessen betonte die Internationale Energie-Agentur (IEA), das am Wochenende beschlossene Anzapfen der strategischen Reserven ihrer Mitgliedsländer reiche womöglich nicht aus, um die Auswirkungen von "Katrina" abzufedern. Der Verwaltungsrat der Organisation wolle deshalb Mitte kommender Woche darüber entscheiden, ob weitere Schritte nötig seien.
Die Lage an den internationalen Rohölmärkten hat sich unterdessen weiter entspannt. Der Ölpreis fiel am Dienstag an der Rohstoffbörse in New York unter 67 Dollar. Die Notierung für einen Barrel (159 Liter) der Sorte Light Sweet Crude sank um 79 Cent gegenüber dem Schlusskurs vom Freitag und lag bei 66,78 Dollar.
Nach den USA und Deutschland hat auch Japan einen Teil der Ölreserven freigegeben. Ab Mittwoch sollten rund 200.000 Barrel Rohöl und Raffinerieprodukte abgegeben werden, hießes in Tokio. Auch in Österreich hat Wirtschaftsminister Martin Bartenstein angekündigt, Teile der nationalen strategischen Reserve freizugeben.
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