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"Spanien" eröffnet am Dienstag die Diagonale in Graz.| Die Regisseurin im Interview.
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Nach ihren viel beachteten Dokumentationen "Das wirst du nie verstehen" und "Kurz davor ist es passiert" erzählt Regisseurin Anja Salomonowitz (in einer Zusammenarbeit mit dem Autor Dimitré Dinev) in "Spanien" die Geschichten verschiedener Menschen auf der Suche. Für manche der Figuren ist Spanien ein reales Asylziel, für andere ein undefinierter Zufluchtsort in ihrer Vorstellung, so die Regisseurin im Interview.
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"Wiener Zeitung": In Ihrem Film strandet der moldawische Flüchtling Sava auf seinem Weg nach Spanien im Burgenland. Was war Ihre Ausgangsidee?Anja Salomonowitz: Es hat einen bestimmten politischen Grund, warum Sava nach Spanien will. Ich hatte für einen Dokumentarfilm über binationale Paare recherchiert, also Menschen, die mit jemandem aus einem Drittstaat verheiratet sind. Viele haben erzählt, dass Spanien bezüglich illegaler Einwanderer viel liberaler sei als andere Länder. Es gab dort mittlerweile sieben Legalisierungswellen, und der Staat hat jenen Menschen, die illegal im Land leben, angeboten, innerhalb einer Frist aufs Amt zu gehen und sich eintragen zu lassen. Ich wollte im Prinzip aber auch der Frage nachgehen, wie durch die Reglementierungen der Fremdenpolizei Beziehungen unmöglich gemacht werden und gar Liebe zerstört wird. Für andere Figuren in diesem Film ist Spanien ein Ort der Sehnsüchte, ein Symbol für ein besseres Leben, ein Ort, der in ihren Vorstellungen liegt, nicht auf einer Landkarte.
Was hat Sie für diesen Film mit Dimitré Dinev zusammengeführt?
Nachdem ich mich einige Zeit mit dem Thema befasst hatte, war mir schnell klar, dass ich lieber zu zweit schreiben wollte, mit jemandem, der die Figur des jungen Ausländers besser erfinden konnte. Eine Freundin empfahl mir Dimitré, das war vor nun fast fünf Jahren. Nach einer ersten Schreibphase von etwa sieben Wochen ließen wir das Skript liegen und haben es erst zwei Jahre später überarbeitet. Wir wollten versuchen, diese Geschichte über Flucht und Fremdenpolizei mit Sehnsucht und Leben, mit etwas Tiefem durchdringen. Beim Sehen dieses Films sollte ein Gefühl von vielen Geschichten entstehen.

Dies setzen Sie konsequent auf der visuellen Ebene des Films um: Erdfarben dominieren auch im Detail und geben den Bildern Textur.
Alle meine Filme waren bisher von jeweils einer Farbe dominiert. "Das wirst du nie verstehen" war weiß und "Kurz davor ist es passiert" eher rosa. Nun ist es braun, erdfarben, gelb. Braun ist die Farbe der Western. Der Sand, die Erde ist braun, der kultivierte Boden, also gewonnener Boden, fruchtbarer Boden. Es ist die Farbe bodenständiger Menschen sozusagen. Für mich sind Farben und Textur der Bilder sehr wichtig, dabei möchte ich aber nicht sagen müssen: Das ist braun, sondern die Farben sollen aus den Dingen herauskommen.
So wird im Film auch fast nur mit bräunlichen 50-Euro-Scheinen bezahlt...
Genau (lacht). Für eine Szene hatten wir außerdem eine Wohnung angemietet, in der die Fliesen im Badezimmer weiß waren, mit kleinen blauen dazwischen. Das passte ja nun überhaupt nicht in diesen Film. Meine großartige Ausstatterin, Maria Gruber, hat also in einem Kopierladen 4000 Aufkleber machen lassen und dann jeden einzelnen blauen Fliesenstein überklebt. Das Problem war, dass der Vermieterin des Bades das überhaupt nicht gefallen hat - und wir nach dem Dreh wieder jeden einzelnen Aufkleber ablösen mussten.

Flucht, Asyl und Migration sind gerade auch in aktuelleren österreichischen Filmen Thema. Was kann Film hier leisten?
Der Abgegriffenheit und Abstumpfung entgegenwirken vielleicht. Die Abschiebungspolitik, die Grenzen und der Umgang mit Menschen an diesen Grenzen stellen ein realpolitisches Drama dar. Dass manche Personen oder gar Instanzen versuchen, Migration zu leugnen, spiegelt den aktuellen politischen Wahnsinn und einen unglaublichen Zynismus wider. Ich sehe mich nicht als Weltverbesserin oder bin auch nicht naiv idealistisch. Aber ich glaube, dass es nicht schaden kann, daran zu erinnern, was die Süchte, Bedürfnisse und Sehnsüchte sind, die alle Menschen im Grunde gemeinsam haben. Klar ist das die Liebe, aber es ist nicht immer so einfach. Eine Antwort auf die Frage, was Film hier leisten kann, wäre zum Beispiel, wie in "Spanien", einen Fremdenpolizisten zu einer poetischen Figur zu machen.
Zur Person<br style="font-weight: bold;" /> <br style="font-weight: bold;" /> Anja Salomonowitz, 1976 in Wien geboren, studierte Regie und Schnitt in Wien und Babelsberg. Mit "Spanien" war sie in die Sektion Forum der Berlinale 2012 geladen.
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