Auch fünf Rivalen treten im Juni um den Top-Job an. | Kaum Erfolge im Kampf gegen die Hungersnot. | Reformprozess in der FAO müsste beschleunigt werden. | Franz Fischler, demnächst 65, will es noch einmal wissen: Der einstige EU-Kommissar rechnet sich Chancen aus, nächster Generaldirektor der Food and Agriculture Organization (FAO) zu werden. Die 192 Mitgliedstaaten der UN-Welternährungsorganisation mit Sitz in Rom werden Ende Juni entscheiden, ob der Tiroler Nachfolger des 70jährige Senegalesen Jacques Diouf wird, der sich nach 17 Dienstjahren Ende 2011 zurückzieht.
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Das Amt gilt als besonders heikel: Der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen gelingen nämlich bei ihrem verzweifelten Kampf gegen Hunger und Unterernährung und für die Hebung des Lebensstandards insbesondere der ländlichen Bevölkerung nur recht bescheidene Erfolge. Die von der UNO im Jahr 2000 formulierten "Millenniumsziele" - die Zahl der hungernden Menschen, die von weniger als einem Dollar täglich leben müssen, sollte bis 2015 halbiert werden - wurden nicht einmal annähernd erreicht. Im Gegenteil: Statt wie damals 850 Millionen Betroffenen müssen heute weltweit fast eine Milliarde Menschen hungern.
Mit einem Gesamtbudget von 2,2 Milliarden Dollar in den Jahren 2010/11, wovon die Mitgliedstaaten rund die Hälfte bereit stellen, ist die FAO zwar die größte UN-Sonderorganisation. Sie steht jedoch auf Grund der rasch wachsenden Weltbevölkerung und der rasant steigenden Preise, etwa bei Mais, Weizen, Reis oder Zucker, auf verlorenem Posten. Naturkatastrophen, Ernteausfälle und Rohstoff-Spekulationen stellen für die FAO so gut wie unlösbare Aufgaben dar.
Konkurrenz aus Asien,Brasilien und Spanien
Fischler, laut Eigendefinition "Europäer mit Hirn, Herz und Hand", möchte sich mit den "riesigen Problemen" befassen, weil er schließlich "einiges darüber weiß, wie Landwirtschaftspolitik funktioniert". Nach dem langjährigen Auftritt in Brüssel und fünf Jahren als Berater wäre der vierfache Vater trotz seines fortgeschrittenen Alters bereit, wieder eine große Rolle zu übernehmen.
Favorit für den internationalen Top-Job ist freilich der Brasilianer José Graziano da Silva, 62, der seit März 2006 als Vizegeneraldirektor der FAO fungiert und so etwas wie einen Amtsbonus genießt. In seiner Heimat war er vor rund zehn Jahren als Sonderminister im Kampf gegen den Hunger engagiert - damals sollten nicht weniger als 44 Millionen Landsleuten mit dem Programm "Fome Zero" (übersetzt: "Null Hunger") geholfen werden.
Franz Fischler muss es weiters mit Miguel Angel Moratinos (60) aufnehmen, der bis vergangenen Oktober spanischer Außenminister war. Neben den beiden Europäern bewerben sich gleich drei Asiaten um den Job: Indonesien hatte seinen Kandidaten Indroyono Soesilo (56) bereits im Mai vorigen Jahres nominiert. Soesilo war früher etwa Chairman einer auf Fischforschung spezialisierten Agentur, derzeit ist er als stellvertretender Hauptminister mit der Koordination von 17 Ministerien und Stellen beauftragt.
Soesilo werden bessere Chancen eingeräumt als den Kandidaten, die vom Irak bzw. dem Iran nominiert wurden: Abdul Latif Rashid, Jahrgang 1944, war der für die Wasserversorgung zuständige Minister im Irak. Er hatte an FAO-Projekten im Jemen und Saudi Arabien mitgearbeitet, ehe er 1992 zum Vizepräsidenten des Irakischen Nationalkongresses gewählt wurde. Als Sprecher der Patriotic Union of Kurdistan zählte er in der Ära von Saddam Hussein zu den führenden Oppositionellen des Landes.
Die FAO-Reformmuss weiter gehen
Nur als Außenseiter wird indes der Iraner Mohammad Saeid Noori Naeini (65) gehandelt, dennoch ist er für eine Überraschung gut. Der Naeini vertritt den Iran nämlich seit Jahren als Diplomat bei internationalen Institutionen.
Vor zweieinhalb Jahren fassten die Mitgliedstaaten den Beschluss, die FAO moderner und effizienter zu gestalten. Fischler würde den Reformprozess gerne vorantreiben. Er vertritt die Ansicht, dass die Organisation, deren Expertise er hoch einschätzt, mehr Dynamik entfalten und zugleich schlankere Strukturen erhalten müsste. Derzeit beschäftigt die FAO rund 3600 Mitarbeiter, von denen zwei Drittel im römischen Headquarter arbeiten und die übrigen in den weltweit verstreuten 130 Außenstellen tätig sind. In Zukunft sollten sie die agrarische Entwicklung in dem ärgsten betroffenen Ländern mit "maßgeschneiderten Programmen" vorantreiben.
Ein großes Anliegen ist dem österreichischen Kandidaten weiters eine strengere Regulierung und damit mehr Transparenz auf den Rohstoffmärkten. Vor allem Derivativspekulationen mit Grundnahrungsmitteln wie Weizen oder Zucker müssten gezielt bekämpft werden. Nur wenn das mit neuen Spielregeln gelingt und die Industrieländer obendrein mehr Mittel für die Entwicklungshilfe locker machen, wird die FAO laut Agrarexperten eine Chance haben. Zur Zeit vermag der UN-Ableger jedoch gegen die Hungersnöte etwa in Burundi, Eritrea, im Tschad, im Jemen oder auf Haiti nur herzlich wenig zu unternehmen.
Wissen
Rot-weiß-rote Promis in weltweiten Top-Positionen: Kurt Waldheim, in den Sechzigern rot-weiß-roter Außenminister und UNO-Botschafter, hat die steilste internationale Karriere geschafft: Er war von 1972 bis 1981 Generalsekretär der Vereinten Nationen. Eine Top-Laufbahn schaffte viel später auch der einstige Landwirtschaftsminister Franz Fischler (siehe Hauptartikel): Er amtierte von 1995 bis 2004 in Brüssel als EU-Kommissar. Weit gebracht hat es weiters Benita Ferrero-Waldner, die 1994 als Protokollchefin bei den Vereinten Nationen in New York gestartet war, sodann in ihrer Heimat als Staatssekretärin und Außenministerin fungierte, ehe sie 2004 EU-Kommissarin für Außenhandelsbeziehungen und europäische Nachbarschaftspolitik wurde. Ihr Versuch, nahtlos als Generalsekretärin zur UNESCO zu wechseln, scheiterte allerdings.
Für Ewald Nowotny hingegen, ab 1999 vier Jahre lang Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank, wurde der Spitzenjob in Luxemburg zum optimalen Sprungbrett: Der Uni-Professor und SP-Abgeordnete wurde zunächst Bawag-Chef und 2008 schließlich Gouverneur der heimischen Nationalbank. Erst kürzlich war er als potenzieller Nachfolger des Franzosen Jean-Claude Trichet im Gespräch, der im Oktober die Führung der Europäischen Zentralbank abgibt. Nowotnys Chancen sind allerdings nur marginal. Gertrude Tumpel-Guggerell, seit 2003 als Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank tätig, muss ihre Spitzenposition Ende Mai räumen - beerbt wird sie von dem Belgier Peter Praet.
Österreich stellt derzeit mit dem früheren Wissenschaftsminister Johannes Hahn den EU-Kommissar für Regionalpolitik; im EU-Apparat ganz oben sitzt auch der Wiener Heinz Zourek, Generaldirektor für Unternehmen und Industrie. Geschafft hat es auch Leopold Radauer, zuletzt Personalchef im Generalsekretariat des Europäischen Rats: Er ist im November 2009 als Protokollchef eine große Nummer geworden.
Im Europarat schafften es gleich mehrere an die Spitze: Abgesehen von den drei Generalsekretären Lujo Toncic-Sorinj, Franz Karasek und Walter Schwimmer brachten es Karl Czernetz und Peter Schieder jeweils für drei Jahre zu Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung. Ein rekordverdächtiger Aufstieg gelang dem gebürtigen Innviertler Johann Prader: Er vertritt die Republik bereits seit fast 25 Jahren im Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington. Der Grazer Kurt Bayer, der im Finanzministerium gestartet ist, war immerhin im Verwaltungsrat der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) in London und von 2002 bis 2004 Exekutivdirektor der Weltbank tätig.
Die einschlägigen Ambitionen von Karl-Heinz Grasser, in der großen Finanzwelt Furore zu machen, gingen hingegen ebenso schief wie die Pläne von Ex-Vizekanzler Wilhelm Molterer, als Kommissar nach Brüssel zu übersiedeln. Wie schwierig es sein kann, einen Traumjob auf internationalem Parkett anzustreben, wird nicht zuletzt Ex-Außenministerin Ursula Plassnik demnächst am eigenen Leib erfahren: Sie bewirbt sich gerade als Generalsekretärin der in Wien ansässigen Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).