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Die Einladung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel an Karl-Heinz Grasser, in einer künftigen Regierung weiterhin die Funktion des Finanzministers auszuüben, hatte auch am Wochenende für Debatten gesorgt. In ihrer Einschätzung des Angebots war sich die FPÖ allerdings nicht einig: Während Parteiobmann Herbert Haupt an Grasser appellierte, sich nicht darauf einzulassen, sah Haupts Stellvertreter Thomas Prinzhorn einer Entscheidung gelassener entgegen.
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Grasser werde doch nicht "so dumm" sein, Schüssels Angebot anzunehmen. FPÖ-Parteiobmann Herbert Haupt ließ in der Fernseh-"Pressestunde" keinen Zweifel daran, was er von der Einladung des Bundeskanzlers an den scheidenden Finanzminister hält. Schüssel versuche im freiheitlichen WählerInnenpotenzial zu "fischen". Dabei könne er nur dann weiter regieren, wenn er einen starken Partner habe. Wer dies sei, ist für Haupt klar: die FPÖ.
Auch wenn sich der freiheitliche Obmann kurz danach gegen Koalitionsspekulationen aussprach, dominierten diese gestern die Schlagzeilen. In der ÖVP war dabei sowohl von einer schwarz-grünen als auch von einer schwarz-roten Variante die Rede. So plädierte Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll via "Kronen Zeitung" an die SPÖ, sich "aus Staatsräson" zu einer Zusammenarbeit bereit zu erklären. Eine Koalition mit den Grünen will wiederum die Tiroler Landesrätin Elisabeth Zanon-zur Nedden nicht ausschließen. Nach dem Wahltag müssten nämlich die begonnenen Reformen weitergeführt werden. "Da stelle ich mir Schwarz-Grün auch vor", erklärte Zanon im "Kurier".
Alle Koalitionsoptionen offen hält sich weiterhin ÖVP-Obmann Schüssel. Er kündigte jedenfalls an, Grasser - ob als FPÖ-Mitglied oder nicht - in Verhandlungen einzubringen, wenn er die Gelegenheit zur Regierungsbildung bekäme.
Unmut hatte dies bei der FPÖ ausgelöst. So prägten Attacken gegen die ÖVP und Grasser die Rede von Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider, der als "Überraschungsgast" zu einem "Motivationsfrühschoppen" am Samstag nach Linz gekommen war. Schüssel wolle die FPÖ zerstören und habe seinen Koalitionspartner "hundsmiserabel behandelt", konstatierte Haider. Und Grasser dürfte nicht so lange überlegen, bevor er Schüssels Angebot ablehne.
Nicht unbedingt für notwendig hält dies indes der stellvertretende Parteiobmann Thomas Prinzhorn. Er hätte mit einem parteilosen Grasser in der Regierung kein Problem.
Schon tags zuvor hatte Schüssel mit seiner "offiziellen Einladung" an Karl-Heinz Grasser zahlreiche Reaktionen ausgelöst. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures sah ein "unmoralisches Angebot" des Bundeskanzlers, das Grasser wohl nicht annehmen werde. Ein weiteres "Abdriften der Volkspartei ins freiheitliche Lager" ortete der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen. Grasser selbst ließ über seinen Kabinettschef ausrichten, es handle sich um ein "hoch interessantes Angebot". Ob er es annimmt, werde er in den kommenden Tagen entscheiden.