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Ein paar Kilowatt Inflation

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Zwischen Ostern und Ende Mai des Jahres 2007 entfalteten Abgeordnete des Europäischen Parlaments, allen voran Paul Rübig (ÖVP) eine ungewöhnliche und noch dazu erfolgreiche Hektik. Sie drückten eine Verordnung durch, die die nationalen Telekom-Unternehmen zwang, die Roaming-Gebühren noch vor Beginn der Urlaubssaison auf ein erträgliches Maß zu senken und somit eine für sie sprudelnde Einnahmequelle auszudünnen.


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Die nationalen Parlamente folgten dem Wink aus Brüssel und gossen die EU-Richtlinie in ein nach Euro und Cent ausgetüfteltes Preisregelungsgesetz. Roaming-Gebühren dürfen seither das Limit von 49 Cent nicht überschreiten und sollen binnen drei Jahren weiter sinken.

Der "temporäre Markteingriff", der eigentlich im glatten Gegensatz zur EU-Philosophie steht, dass der freie Wettbewerb alles regelt, kam vor allem die Netzbetreiber in klassischen Urlaubsländern wie Österreich, Spanien oder Italien sehr teuer. Millionen Österreich-Touristen telefonieren schließlich über österreichische Handy-Netze nach Hause, während umgekehrt lange nicht so viele Österreicher ins Ausland reisen.

Rübig ist mit den Folgen der Preisregelung zufrieden, sie funktioniere praktisch in allen EU-Ländern, sagt er. Den sehr populären Vorstoß von damals begründete er damit, dass der Wettbewerb zwischen den Netzbetreibern nicht richtig funktionierte.

Der Wettbewerb fehlt

Inzwischen spüren fast alle Europäer an ihrer Geldbörse, dass der Wettbewerb zwischen den Stromlieferanten offenbar auch nicht funktioniert.

In Österreich sind nach Angaben des Energie-Control-Chefs Walter Boltz die Strompreise seit Jänner 2007 um sieben Prozent gestiegen, die Teuerung übertrifft also locker die Inflationsrate von rund dreieinhalb Prozent, Stromgesellschaften sind erwiesene Preistreiber.

Das bedeutet ja noch nicht, dass die EU eingreifen muss, denn sie ist kein Preiswächter. Allerdings fällt Boltz über den europäischen Strommarkt das gleiche Urteil, das die EU-Abgeordneten über den Handy-Markt hatten: Es fehlt der Wettbewerb.

Und die Geheimnisse des europäischen Strom-Großhandels sind so undurchschaubar, dass er annimmt, dass die Preise schon von vornherein einen zehnprozentigen "Intransparenzzuschlag" enthalten.

Die EU-Kommission sieht das auch so und hat am 19. September 2007 mit dem dritten Binnenmarktpaket eine Fülle von Vorschlägen zur Liberalisierung des Strommarktes vorgelegt. Darin ist nicht nur das "Unbundling" zwischen Eigentümern und Verteilern enthalten, sondern die Schaffung eines gesamteuropäischen Stromregulators, der nach dem Rechten sehen soll.

Körberlgeld für Länder

Aber es zieht sich auffallend lang dahin, man braucht gar nicht über Österreich hinausschauen. Eigentümer und Lieferanten sind hierzulande weitgehend identisch, die Eigentümer zweigten im vergangenen Jahr laut Boltz 360 Millionen Euro ab und ließen das Geld in die Landesbudgets fließen.

Wahrscheinlich betrachten die Landeshauptmänner das Körberlgeld als ähnliche "Kulturabgabe" wie den Mitschnitt bei den ORF-Gebühren. Wir werden noch länger blechen müssen, denn Rübig, der als einziger Österreicher im Energieausschuss des Europaparlaments sitzt, nennt das europaweite Rätsel offen beim Namen: "Sobald der Staat etwas besitzt, vermissen wir die Gewaltenteilung."

Oder anders: Privatkonzerne wie die Telekomfirmen lassen sich leichter regulieren, denn sie beschließen die dazu nötigen Gesetze nicht selber.