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Beim Medizin-Test schließt sich die Kluft zwischen den Geschlechtern nur im Zeitlupentempo. | Erstmals bestehen in Graz knapp mehr Frauen als Männer den Aufnahmetest.
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Graz/Wien/Innsbruck. Der Anteil der Frauen, die den Aufnahmetest für das Medizinstudium schaffen, nimmt zu - aber nur sehr schleppend. Die am Freitag veröffentlichten Ergebnisse zeigen: Insgesamt sind es gerade einmal 41 Frauen mehr als im Vorjahr, die den Test bestanden haben und nun ihr Medizinstudium antreten dürfen. Von den insgesamt 1530 Studienplätzen an den drei Standorten Wien, Innsbruck und Graz gehen 682 oder 44,6 Prozent an Frauen. Im Vorjahr waren es 643 (43 Prozent).
In Graz erstmals 48 Prozent Anfängerinnen
Dabei stimmten die bereits am Mittwoch erschienen Testergebnisse der Medizinuni (Med-Uni) Graz optimistisch: Hier sind die Bewerberinnen mit ihren männlichen Kollegen fast gleich auf: 48 Prozent der Studienplätze ergatterten heuer Frauen, unter den 136 für Österreicher reservierten Plätzen besetzen sie mit 51 Prozent sogar knapp mehr als die Hälfte der Plätze. Gilbert Reibnegger, Vizerektor der Med-Uni, zeigt sich im Gespräch mit der „Wiener Zeitung” über diese Ergebnisse erfreut, denn an seiner Uni sei man „nicht glücklich über ungleiches Abschneiden der Geschlechter”.
Während sich mehr Frauen als Männer für ein Medizinstudium bewerben, scheiterten viele von ihnen an den viereinhalbstündigen Eignungstest. Das führte zu Kritik an der Gendergerechtigkeit der Tests. Warum also schnitten Frauen heuer in Graz besser ab? In diesem Jahr konnte man erstmals im Internet einen Probetest machen, was womöglich bei der Vorbereitung geholfen habe, so Reibnegger. Außerdem habe man Direktoren und Lehrer aufgefordert, potenzielle Bewerberinnen an den Schulen anzusprechen.
Während in Wien und Innsbruck der in der Schweiz entwickelte „Eignungstest für das Medizinstudium” (EMS) angewandt wird, hat die Med-Uni Graz einen eigenen Test erstellt.
Er besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: Textverständnis, Situationsbewertung und den medizinrelevanten Fächern Physik, Mathematik, Chemie und Biologie. Bei den ersten beiden Testteilen schneiden laut Reibnegger Frauen und Männer gleich gut ab, einzig die Naturwissenschaften würden Frauen schwerer fallen, wie er sagt. Direkt nach der Matura würden Frauen schlechter abschneiden, ein Jahr später seien sie mit ihren männlichen Kollegen gleich auf. Für den Vizerektor ein Indiz dafür, dass sie oft ein zweites Mal antreten und dann bereits wissen, was auf sie zu kommt.
Gleichgewicht in der Humanmedizin
An der Medizin-Uni Innsbruck sticht das erstmals ausgewogene Verhältnis zwischen österreichischen Frauen und Männern in der Humanmedizin hervor. Beinahe die Hälfte der für österreichische Bewerber reservierten Studienplätze geht an Frauen: 134 Frauen, 136 Männer. 2010 lag das Verhältnis noch bei 119 zu 151.
Im Gegensatz zu Graz holten Frauen in Innsbruck und Wien weniger stark auf: In der Bundeshauptstadt nahmen wie im Vorjahr rund 56 Prozent Frauen an den Tests teil, bestanden haben mit rund 43 Prozent nur ein Prozent mehr als 2010. An der Medizin-Uni Innsbruck waren heuer mit 55 Prozent ein Prozent mehr Frauen unter den Teilnehmern, geschafft haben es wie im Vorjahr 44 Prozent.
Mehr Antritte aufgrund der 90 Euro-Gebühr
Bewährt hat sich laut Med-Uni Wien das neue Anmeldesystem: Jeder Bewerber musste 90 Euro für die Anmeldung vor dem Aufnahmetest bezahlen. 82 Prozent der Angemeldeten traten dann auch an, unter den inländischen Maturanten waren es sogar 87 Prozent (2010: 75 Prozent). Jeder fünfte Österreicher, der zum Test angetreten ist, hat ab Herbst einen Studienplatz an der Med-Uni Wien.
Während insgesamt nur ein Zehntel der Bewerber einen Platz bekam, kämpfen Studenten aus dem Ausland um ein Viertel der Studienplätze. Denn bis 2012 gilt an den Med-Unis eine Ausnahmeregelung: 75 Prozent der Plätze sind für Österreicher reserviert, 20 Prozent für EU-Bürger, fünf Prozent für Drittstaatsangehörige. Heuer bewarben sich mehr junge Menschen aus dem Ausland, womöglich weil heuer keine persönliche Anmeldung notwendig war und für sie nur einmal Reisekosten anfielen.
Statt 70 kamen heuer 76 Prozent aus einem anderen EU-Land, bei den Drittstaatsangehörigen waren es heuer fast 74 Prozent (Vorjahr 66 Prozent).
Heuer waren die Hälfte der insgesamt 1530 Bewerber Deutsche. In Deutschland brauchen Studienanfänger einen Notendurchschnitt von mindestens 1,3 um Medizin studieren zu können - und ergattern sie auch in Österreich keinen Platz, weichen sie auf östliche Länder aus wie Ungarn oder Rumänien. Doch dafür braucht man das nötige Kleingeld: In Budapest etwa kostet ein Medizinstudium auf Deutsch knapp 12.000 Euro.