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Ein paar Tränen für sich selbst

Von WZ-Korrespondent Thomas Hug

Europaarchiv

Emotionslos ließ Breivik das Leid der Opfer an sich vorbeiziehen, geweint hat er nur bei seinem eigenen Video


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Oslo. Anders Behring Breivik kam kurz vor 9 Uhr im speziell umgebauten Gerichtssaal des Osloer Strafgerichts an. Der Angeklagte, in einen dunklen Anzug gekleidet, wartete ab, bis ihm die Handschellen abgenommen wurden. Dann schlug er sich zuerst mit der Hand auf die Brust und reckte anschließend die Faust in die Höhe - eine Geste, die Breivik in seinem 1500 Seiten starken Internet-Manifest als Gruß der Tempelritter und als "Herausforderung für die marxistischen Tyrannen in Europa" beschrieben hat. Anschließend grüßte der 33-Jährige freundlich seine Anwälte, setzte sich und bürstete sich sorgfältig Staub von seinem Anzug.

Das Publikum musste auch nicht lange auf die erste mündliche Stellungnahme Breiviks warten. Auf die Frage von Richterin Wenche Arntzen, ob die Verteidigung die Unparteilichkeit des Gerichtes anerkenne, verlangte der Angeklagte das Wort. Er erkenne keine norwegischen Gerichte an. Arntzen sei befangen, da sie eine persönliche Freundin der Schwester der ehemaligen sozialdemokratischen Regierungschefin Gro Harlem Brundtland sei.

Auch sonst nutzte der rechtsradikale Islamhasser bereits die Formalitäten des Prozessauftakts zur Selbstdarstellung. Ob es richtig sei, dass er zurzeit keine Arbeit habe, fragte Richterin Arntzen den Angeklagten. Das sei nicht korrekt, sagte Breivik: "Ich bin Autor und arbeite vom Gefängnis aus." Wie angekündigt plädierte Breivik dann auf nicht schuldig. Die ihm vorgeworfene Ermordung von 77 Menschen sei in Wahrheit ein Akt der Notwehr gewesen, erklärte der 33-Jährige.

Gewaltiges Medieninteresse

Anschließend verlas Staatsanwältin Inga Bejer Engh die Anklageschrift. Darin wurden die beiden Terroranschläge, die Breivik am 22. Juli 2011 verübt hatte, detailliert beschrieben. Bei der Bombenexplosion im Osloer Regierungsviertel kamen acht Menschen ums Leben. Beim Massaker auf Utöya, wo die Jungsozialisten ihr Sommerlager abhielten, erschoss Breivik 69 Jugendliche. Detailliert beschrieb die Staatsanwältin, wo und an welchen Verletzungen die Opfer starben. Auch die Verwundungen der Verletzten beschrieb sie genau.

Der Angeklagte hörte teilnahmslos zu, den Kopf leicht zur Seite geneigt und mit dem Blick nach unten gerichtet. Nahezu unbewegt folgte Breivik auch dem Einleitungsvortrag von Staatsanwalt Svein Holden. Weder Videoaufnahmen von der Explosion beim Regierungsgebäude, noch die detaillierten Beschreibungen des Massakers auf Utöya schienen ihn zu bewegen. Als dann Holden aber ein Video vorführte, das Breivik noch vor den Taten selbst gedreht hatte, da brach der Angeklagte in Tränen aus. Im Video verteidigt Breivik seine antiislamische Ideologie und ruft zum Kreuzzug gegen die moslemische Einwanderung nach Europa auf.

Der Prozess war unter riesiger medialer Anteilnahme eröffnet worden. Journalisten aus aller Welt verfolgten die Verhandlung per Videoübertragung vom Hotel Bristol aus. Die am Prozess teilnehmenden Opfer wurden extra vor den Medienvertretern abgeschottet. Der Prozess wurde auch in 18 Gerichtsgebäude im ganzen Land und teilweise auch vom Fernsehen direkt übertragen. Die Verhandlung ist auf zehn Wochen angesetzt. Zu den wichtigen Entscheidungen der Richter gehört es, zu bestimmen, ob Breivik schuldfähig oder geistig krank ist. Zwei psychiatrische Gutachten waren hier zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Ab Dienstag wird Breivik fünf Tage lang das Wort erhalten.