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Benedikt XVI. verzichtete in Polen auf große Gesten. | Johannes Paul II. stand beim Papst-Besuch im Vordergrund. | Vier Tage lang pilgerte Papst Benedikt XVI. durch Polen, die Heimat seines Amtsvorgängers Johannes Paul II. Überall bot sich das gleiche Bild: In Warschau, Krakau oder Tschenstochau stand die verstorbene Vaterfigur der polnischen Katholiken bei Benedikts Auftritten im Vordergrund.
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Zwar begegnete Polen dem Nachfolger Karol Wojtylas höflich. Doch in Euphorie, die das Land bei jedem der Besuche von Johannes Paul II. befiel, konnte es der deutsche Pontifex nicht versetzen. Immerhin: Neben der Achtung, die Josef Ratzinger bereits als enger Vertrauter und Hüter der Glaubenslehre von Johannes Paul II. bei dessen Landsleuten genossen hatte, konnte er sich im Verlauf der viertägigen Reise auch viel Sympathie erwerben.
Dazu trug auch der letzte wichtige Programmpunkt der Reise bei. Auf keinen anderen Auftritt Benedikts hatte die internationale Öffentlichkeit so gespannt gewartet wie auf jenen im ehemaligen KZ Auschwitz. Nirgendwo sonst musste "der Sohn des deutschen Volkes" (Zitat Benedikt XVI.) seine Worte so sorgsam wählen wie an dieser Stätte deutscher Verbrechen. Hinter vorgehaltener Hand war vor dem Besuch die Sorge geäußert worden, der Papst könne "etwas Falsches" sagen, könnte die ermordeten Nichtchristen für die katholische Kirche vereinnahmen.
Die Sorge erwies sich als unbegründet. Benedikt sprach zurückhaltend von der "Bitte um Vergebung und Versöhnung"; er gedachte der jüdischen, aber auch der polnischen, russischen und deutschen Opfer in Auschwitz; und er wich der Verantwortung für den Holocaust nicht aus: Das deutsche Volk sei von einer "Schar von Verbrechern mit lügnerischen Versprechungen als Instrument des Zerstörens und des Herrschens gebraucht und missbraucht" worden.
Freilich: Direkte Worte der Entschuldigung vermied Benedikt. Eine solche Entschuldigung für die deutschen Gräueltaten während des Zweiten Weltkriegs ist aber wohl auch nicht Sinn einer päpstlichen Reise. Am klarsten formulierte das der frühere polnische Außenminister und Auschwitz-Häftling Wladyslaw Bartoszewski: "Benedikt ist das Oberhaupt einer Weltkirche - und nicht einer deutschen."
Welchen Sinn hat der Polen-Besuch des Papstes aus Deutschland dann gehabt? Benedikt hat während der Visite nichts gesagt, was Medienleute als Sensation empfinden würden; er hat - auch in Auschwitz - nichts getan, was als historische Geste bezeichnet werden könnte.
Doch der Deutsche auf dem Stuhl Petri hat mit seiner Reise nach Polen, das einst Deutsche überfielen, und mit seinem Besuch im Vernichtungslager, das Deutsche errichteten, die Erinnerung wach gehalten. Das ist keinesfalls sinnlos - was Benedikt XVI. auch selbst in Auschwitz ausgesprochen hat: "Das Erinnern hilft, dem Bösen zu widerstehen."