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Einen Paradigmenwechsel leitet Sozialminister Rudolf Hundstorfer mit seiner Reform der Invaliditätspension ein. Die Tatsache, dass sich ab 2029 niemand mehr in eine befristete I-Pension retten kann, bewirkt einen völligen Umbruch im Denken.
Bisher wurden nahezu sämtliche befristeten I-Pensionen- die Befristung gilt ein Jahr - in eine dauerhafte Invaliditätspension gerettet. Es gab keinerlei Motivation, den Gesundheitszustand während der Befristung zu verbessern. Jetzt wird versucht, durch zielgerichtete Rehabilitation die Genesung herbeizuführen und die Menschen wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern. Das ist die wichtigste Änderung in dem neuen Modell.
Außerdem zeigen alle Daten eine Veränderung der Krankheitsbilder. Die Zahl derjenigen, die aufgrund von psychischen Erkrankungen in Invaliditätspension gehen, nimmt ständig zu. Die Zahl jener, die aufgrund von Erkrankungen des Bewegungsapparates vorzeitig in Pension gehen, geht zurück. Bei Burnout gibt es aber mittlerweile sehr gute Heilungsverläufe, sodass ein Wiedereinstieg in das Berufsleben durchaus möglich ist. In vielen Fällen erleichtert ein Wechsel sogar den Heilungsprozess.
Die zweite große Änderung gegenüber dem ursprünglichen Plan ist, die Befristung der I-Pension nicht auf Unter-50-Jährige zu beschränken, sondern diese beginnend mit dem Jahrgang 1964 ab 2014 bis 2029 schrittweise auf alle auszuweiten. Pensionsexperte Ulrich Schuh bezeichnet diese Ausdehnung auf alle als "Schlüssel" des neuen Modells. Denn das Problem der Invaliditätspensionen liegt nicht in der Altersgruppe der 50-Jährigen und darunter, sondern bei den Über-50-Jährigen.
Der dritte große Schritt der Regierung war die Ersetzung des Berufsschutzes durch den Qualifikationsschutz. Das bedeutet, dass jemandem, der eine Lehre abgeschlossen hat, ein neuer Lehrberuf angeboten werden soll. Selbstverständlich wird jemand mit 60 nicht mehr eine neue Lehrausbildung beginnen. Es wird sich zeigen, wie das Arbeitsmarktservice diese Änderung in der Praxis bewältigt. Tatsächlich wird dafür viel Kreativität und individuelle Betreuung notwendig sein.
Insgesamt ist die Regierung mit diesem Modell über ihren eigenen Schatten gesprungen und hat eine sehr praktikable Lösung vorgelegt.
Wenn man daran etwas aussetzen wollte, könnte man die langen Übergangsregelungen bis 2029 ins Treffen führen. Andererseits aber ist sichergestellt, dass bis dahin alle Altersgruppen eingebunden sind.