Wirtschaftsminister Bajnai soll amtsmüden Premier Gyurcsány ablösen. | Budapest. Nach neun Tagen schwerer Turbulenzen scheint Ruhe im politischen Ungarn eingekehrt. Die Parlamentsfraktion der regierenden sozialistischen MSZP bestimmte Wirtschaftsminister Gordon Bajnai am Sonntag zum Kandidaten für die Nachfolge des amtsmüden Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány, inzwischen stellte sich auch der einstige MSZP-Koalitionspartner, die liberale SZDSZ, hinter Bajnai. Damit gilt es als sicher, dass der parteilose Bajnai am 14. April im Wege eines konstruktiven Misstrauensvotums zum neuen Premier gewählt wird und es nicht zu vorgezogenen Parlamentswahlen kommt.
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Gyurcsány hatte bei einem regulären MSZP-Kongress am 21. März erklärt, er gebe als Ministerpräsident auf. Am Samstag stellte er bei einer MSZP-Vorstandssitzung sein Amt als Parteivorsitzender zur Verfügung, in dem er sich kurz zuvor noch hatte bestätigen lassen. Die ungarische Nachrichtenagentur MTI meldete am Montag Nachmittag, dass die MSZP-Delegierten den Rücktritt Gyurcsánys von der Parteispitze nicht akzeptierten.
"Die Zeit drängt"
Mit Bajnais Nominierung zogen die Sozialisten nun den Schlussstrich unter eine Kandidatensuche, die größtenteils einer verzweifelten Odyssee glich. Der Minister galt durchaus als Anwärter auf die Gyurcsány-Nachfolge. Zunächst wurden aber viele andere Kandidaten präsentiert, bis die Wahl endlich ihn fiel.
Bajnai selbst begründet es mit "Heimatliebe", dass er sich zum Premier wählen lassen will, und stellt eine "Krisenmanagement-Regierung" in Aussicht. Es gelte, keine Zeit mehr zu verlieren. Abzuwarten bleibt, was solche markigen Ankündigungen wert sind. Immerhin lässt sich Bajnai zugute halten, dass er sich in den vergangenen Monaten als nahezu einziges Regierungsmitglied bemühte, der Öffentlichkeit zu vermitteln, was in der Krise konkret zu tun sei.
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