Das Strache-Urteil zeigt: Es sind die Gerichte, die auf einen neuen Stil in Österreichs Politik pochen.
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Das Erfolgsgeheimnis eines Parteitags besteht darin, nichts dem Zufall zu überlassen. Die neue ÖVP hat es darin zu einer gewissen Meisterschaft gebracht. Dass jedoch ausgerechnet am Tag vor der ersten Wiederwahl von Sebastian Kurz zum weiter unumstrittenen ÖVP-Obmann eine Richterin den Ex-Vizekanzler und langjährigen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wegen Bestechlichkeit zu 15 Monate bedingter Haft schuldig sprach, dagegen konnte auch die Kanzlerpartei nichts ausrichten.
Wenn sich daher am Samstag die 1.000 Delegierten in St. Pölten versammeln, um ihren Parteichef mit einem wohl mehr als robusten Vertrauensbeweis auszustatten, wird das Urteil gegen Strache die Gespräche am Buffet bestimmen.
Zugegeben, das Urteil hat noch keine Rechtskraft, im Instanzenweg ist immer noch ein Freispruch möglich; dennoch gleicht es einem Paukenschlag, der auch in den Ohren der ÖVP dröhnt. Immerhin wirkte Strache als Vize einer türkis-blauen Koalition mit Kurz an der Spitze; zudem steht nicht nur Kurz selbst im Fokus Ermittlungen, sondern auch weitere aktive beziehungsweise hemalige ÖVP-Spitzenpolitiker.
Die Verurteilung Straches ist deshalb als Erfolg der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu werten, die von der ÖVP-Spitze hartnäckig kritisiert wird; umgekehrt hätte ein Freispruch Wasser auf die Mühlen von deren Kritikern bedeutet. Das Urteil kann als Indiz gedeutet werden, dass nicht nur die Anklagebehörde die Amtsträger der Republik und die Mächtigen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft strikt nach den Buchstaben der Gesetze ins Visier nimmt, sondern auch die Gerichte dazu neigen, dieser Argumentation zu folgen.
Es sind damit die Gerichte, die auf einen neuen Stil der Politik pochen, nicht die Politiker, deren Versprechen sich bisher ein ums andere Mal als hohl erwiesen haben. Der Satz vom Richter, den man schon nicht brauchen werde, hat sich endgültig erledigt. Und es wird mehr werden, nicht weniger, dafür sorgt die Politik von ganz allein.
Falls sich hier tatsächlich ein neuer Trend ablesen lässt, dann sind dies keine guten Nachrichten für alle, gegen die die Justiz ermittelt. Dazu zählt neben Kurz (Verdacht falscher Zeugenaussage) auch Finanzminister Gernot Blümel (Bestechlichkeit).
Umso entschlossener wird die ÖVP in St. Pölten mit starken Bildern eines unangefochtenen Kanzlers dagegenhalten. Aber auf Kurz und seine Partei wartet ein herausfordernder Herbst: Die Pandemie erweist sich als Hydra mit unzähligen Köpfen, die Grünen benötigen dringend zählbare Erfolge in der Koalition, und dann lauern da noch - frisch gestählt - die Ermittler der Justiz.