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Ein Pensionsexperte für die Nationalbank

Von Peter Rosner

Politik

Robert Holzmann dürfte Ewald Nowotny in einem Jahr als Gouverneur der OeNB beerben.


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Robert Holzmann wurde als möglicher Gouverneur für die Österreichische Nationalbank (OeNB) genannt. Wenig ist über ihn bekannt, außer dass er Professor für Ökonomie war und bei der Weltbank eine führende Position hatte. Zwei frühere OeNB-Gouverneure waren bzw. sind ebenfalls akademisch qualifizierte Volkswirte, Stephan Koren und Ewald Nowotny. Sie waren davor lange in der Politik aktiv gewesen und daher bekannt. Robert Holzmann war seit seiner Berufung 1992 an die Universität in Saarbrücken kaum in Österreich tätig. Auch hat er sich nicht viel mit Österreich beschäftigt. Er hatte eine erfolgreiche internationale Laufbahn. Von 1997 bis 2011 war er bei der Weltbank in leitender Position tätig. Seit dem Ausscheiden arbeitet er für mehrere Planungsinstitute.

Bei Wissenschaftern ist es leicht festzustellen, was sie gearbeitet haben: Man schaut auf ihre Publikationen. Und Holzmann hat viel publiziert. Zu einem Teil sind es im engeren Sinn des Wortes eigene Forschungsarbeiten. Zu einem Teil sind es Veröffentlichungen von Tagungsbänden mit Beiträgen mehrerer Autoren zu einem Thema. Dabei kann angenommen werden, dass er selbst die Themen der Arbeiten stark geprägt hatte. Er hatte in der Weltbank die entsprechende Forschungsabteilung aufgebaut und bis zu seinem Ausscheiden auch geführt.

Er analysierte in fast allen seinen Arbeiten soziale Absicherung durch Pensionssysteme. In seinen frühen Arbeiten war vor allem das österreichische Pensionssystem der Gegenstand seiner Analysen. Nach seinem Weggang aus Österreich, und bald darauf auch aus einer im engeren Sinn rein akademischen Laufbahn, ging es um Absicherungen im Alter weltweit. Seine Frage war nicht, wie gut geht es den Menschen nach dem Ausscheiden aus der Berufstätigkeit in dem einen oder anderen System, bzw. wie teuer denn diese Systeme sind. Er untersuchte die langfristige Stabilität von Pensionssystemen in Zusammenhang mit Veränderungen in der Demografie, der Teilnahme am Erwerbsleben und dem Wirtschaftswachstum.

Nicht eine interesselose Neugierde war der Antrieb für diese Arbeiten. Die Weltbank hatte beschlossen, Fragen der sozialen Absicherung in ihren Aktivitäten ein größeres Gewicht als früher zu geben. Das war vielleicht bedingt durch die Notwendigkeit für die früheren Planwirtschaften und die rasch wachsenden Staaten Asiens, neue Altersversorgungssysteme einzuführen.

Welches Pensionssystem ist zu bevorzugen?

Es ging Holzmann um die institutionelle Struktur von Pensionssystemen. Unterschieden wird zwischen einerseits den kapitalgedeckten Systemen und den durch Umlagen finanzierten. Ersteres ist ein institutionell abgesichertes Ansparen. Die Erträge aus dem Kapital und dessen Rückzahlung ergeben die Pensionshöhe. Der Staat muss vielleicht die Höhe der Einzahlungen bestimmen, der Rest kann über marktwirtschaftliche Institute gehen. In den umlagenfinanzierten Systemen werden die Pensionen aus den laufenden Beiträgen gezahlt. Der Staat muss die Organisation übernehmen.

In mehreren Arbeiten führt Holzmann die unterschiedlichen Probleme der beiden Systeme an. Zunächst, ein kapitalgedecktes System erfordert eine Periode des Ansparens bevor Pensionen ausgezahlt werden können. Er führt ferner an, dass diese Systeme in der Organisierung wesentlich teurer sind als die staatlichen. Wettbewerb hat viele Vorteile, aber auch hohe Kosten. Dazu kommt, dass es in vielen Staaten nicht hinreichend große Anlagemöglichkeiten für Pensionsfonds gibt. Sie müssten daher auch im Ausland anlegen. Das wiederum erhöht das Risiko, etwa bei Veränderungen eines Wechselkurses. Diese Risiken sind nach Holzmann vertretbar für Zusatzpensionen, aber nicht für die Grundpension.

Bei den umlagenfinanzierten Systemen wiederum besteht die Gefahr, dass der Staat bei der Festlegung der Pensionshöhe gerne großzügig ist. Das heißt nicht, dass die Pensionisten verwöhnt werden, sondern, dass der Staat die dafür langfristig notwendigen Abgabensätze nicht richtig ausweist, oft nicht einmal berechnet. Auch wenn in einem bestimmten Jahr die eingehobenen Beiträge die Pensionszahlungen in diesem Jahr decken, muss das System nicht im Gleichgewicht sein. Es können ja die in dem betreffenden Jahr erworbenen Rechte auf zukünftige Pensionszahlung höher gewesen sein.

Holzmann präferiert modifiziertes Umlagesystem

Holzmann schlägt ein Umlagesystem vor, mit dem das verhindert wird. Die Regeln des Systems bestimmen die Einzahlungen, nicht aber die Auszahlungen. Die einzelne Pension soll von drei Größen bestimmt sein: von den Einzahlungen, dem Alter des Pensionsantritts und der Lebenserwartung der Kohorte. Alles andere steht fest, auch allfällige Anpassungen an die Inflation.

Es muss sich nicht jedes Jahr ausgehen, aber es geht sich für eine Kohorte aus. Ein Kapitalstock jedenfalls muss nicht erst angespart werden. In seinen Arbeiten untersuchte Holzmann viele Aspekte dieser Vorstellung und untermauert sie mit Berechnungen. Etwa, können Ansprüche von einem Land in ein anderes transferiert werden? Das ist, angesichts der Größe von Migration, eine wichtige Frage. Wie ist das mit unterschiedlichen Lebenserwartungen der Subgruppen einer Bevölkerung (Männer und Frauen, oder nach sozialen Kategorien)?

Mehr Migration ist notwendig

Er untersucht auch Fragen, die derzeit in vielen Staaten, auch in Österreich, diskutiert werden. Europa weist sehr niedrige Geburtenraten auf. Das Arbeitskräftepotenzial wird daher sinken. So berechnete er im Jahr 2005 für die Jahre 2025 und 2050 den Mangel an Bevölkerung, der für die Aufrechterhaltung eines Pensionssystems notwendig wäre. Diese Zahl ist hoch - Millionen Zuwanderer sind jedes Jahr notwendig. Wäre eine höhere Geburtenrate nicht besser? Holzmann ist skeptisch, dass die Politik großen Einfluss darauf hat. Und wenn ja, dann eher durch staatliche Organisierung der Kinderbetreuung als durch Geldtransfers. Es geht um eine Politik der geregelten Zuwanderung.

An den in diesen Arbeiten behandelten Fragestellungen kommt niemand vorbei, der nach Möglichkeiten einer langfristigen Sicherstellung von Pensionen sucht. Was hat das mit Geldpolitik zu tun? Nicht viel. Aber es ist nicht die Aufgabe eines OeNB-Gouverneurs eigene Forschungen zur Geldpolitik zu publizieren. Er muss eine große, wichtige Institution leiten. Der Aufbau und die Bedeutung der von ihm geleiteten Abteilung in der Weltbank weisen auf einige Fähigkeiten dazu hin.

Holzmann bei EZB aufLinie mit Deutschland?

Es wird aber auch zu seinen Aufgaben gehören, im EZB-Rat bei der Planung der laufenden Geldpolitik mitzuwirken. Wie er das anlegen wird, kann den Publikationen nicht entnommen werden. Eine kleine Spekulation sei mir erlaubt. Erstens, auch wenn er selbst nicht auf diesem Gebiet gearbeitet hat, kann er als Professor für Ökonomie mit wissenschaftlichen Spezialisten auf diesem Gebiet darüber diskutieren.

Zweitens, in der Geldpolitik geht es um die Frage, ob sie nach festen Regeln arbeiten soll, oder nicht doch spezifische Umstände zu berücksichtigen hat. Für Ersteres spricht, dass dadurch die Unsicherheit für wirtschaftliches Handeln reduziert wird. In der EZB wird diese Position besonders von Deutschland vertreten. Für Letzteres, dass in manchen Situationen eine flexiblere Handhabung der Regeln vorteilhaft ist. Das traf etwa auf die Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise zu. Diese Haltung wird stärker von Frankreich betont. Insgesamt geht es innerhalb der Eurozone um graduelle Unterschiede. Ich wäre nicht überrascht, wenn Robert Holzmann etwas stärker die Regelgebundenheit betonen wird als sein Vorgänger. Schließlich ist das Leitmotiv seiner Forschungen, nach einem Pensionssystem zu suchen, das die Möglichkeit für politische Manipulationen eingrenzt.

Peter Rosner, geboren 1948, war Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien. Er publizierte zur Sozialpolitik und Geschichte ökonomischer Theorie.