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Ein Pensionssystem für alle

Von Brigitte Pechar

Politik

Die Grünen beschließen am Wochenende ein neues Sozialprogramm mit Grundpension und Mindestlohn.


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Wien. Die Grünen halten am Samstag und Sonntag in Wien ihren Bundeskongress ab, der hauptsächlich der Debatte eines neuen Sozialprogramms der Ökopartei dient. "Selbstbestimmt und solidarisch" heißt der dazu vorliegende Leitantrag. Darin wird unter anderem ein einheitliches Pensionssystem mit etwa 850 Euro Grundpension aus Steuermitteln plus einer Versicherungspension aus Beiträgen gefordert.

Ein zweiter Leitantrag "Für fairen und vernünftigen Handel" beschäftigt sich mit den europäisch-amerikanischen Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP. Die Grünen lehnen die derzeitige TTIP-Agenda ab. Die "Wiener Zeitung" hat mit der Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, über Pensionen, Steuerreform und Kinderkarenz für Politikerinnen gesprochen.

"Wiener Zeitung": Die Pensionskommission hat gerade eine Langfristprognose vorgelegt, wonach der Bundeszuschuss zu den Pensionen im Jahr 2060 schon 32 Milliarden Euro betragen wird. Die SPÖ ist davon nicht besonders beunruhigt, die ÖVP fordert aber eine Pensionsautomatik, also eine automatische Anpassung des Pensionsalters an die Lebenserwartung. Die Grünen, die sich als Jugendpartei geben, nehmen bei den Pensionen die SPÖ-Position ein. Können so die Pensionen gesichert werden?Eva Glawischnig: Mit der Neuausrichtung unseres Sozialprogramms haben wir vor, den Jungen das Vertrauen in die staatlichen Institutionen zurückzugeben. Die Steuern und Abgaben sind ausreichend hoch, dass man darauf vertrauen können muss, dass das soziale Netz abgesichert ist. Das Arbeitsleben ist heute sehr häufig durchbrochen: Statistisch gesehen ist jeder von uns alle drei Jahre einmal 100 Tage arbeitslos. Wir wollen daher in diesen Umbruchsphasen Sicherheit geben und beim Übertritt von der Erwerbsphase ins Alter mehr Freiheit zulassen.

Im grünen Modell besteht die Pension aus der Grundpension (derzeit etwa 850 Euro) ab dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter und der versicherungsmathematisch berechneten Erwerbspension, die flexibel angetreten werden kann. Sie ist gedeckelt mit der ASVG-Höchstpension von brutto 3100 Euro. Man kann zuverdienen, so viel man will, egal, wann man die Pension antritt. Auf die Auszahlung der Erwerbspension hat das keine Auswirkungen. Die Grundpension aber vermindert sich um das Einkommen. Einen Automatismus lehnen wir ab, weil die Menschen zwischen 60 und 70 vollkommen unterschiedliche geistige und körperliche Voraussetzungen haben.

Ist dieses Modell finanzierbar?

Das ist aufkommensneutral, wenn man gleichzeitig die Luxuspensionen beschränkt. Wir wollen ab 2024 ein einheitliches Pensionssystem für alle. Das jetzige System sieht ja vor, dass die Angleichung erst im Jahr 2048 erfolgt. Derzeit sind die hohen Pensionen zu 55 Prozent steuerfinanziert, die niedrigen Pensionen nur zu 20 Prozent. Die Schlüsselfrage bei der Finanzierung wird sein: Wie viele Menschen haben im erwerbsfähigen Alter Arbeit?

Das ist gerade in einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit fast 400.000 Menschen betrifft, nicht so einfach zu lösen. Sollte man da nicht auf ein Arbeitszeitverkürzungs-Modell zurückgreifen?

Die Österreicher arbeiten viel, die Wochenarbeitszeit steigt. Das bedeutet: Wir brauchen eine andere Lebensarbeitszeitverteilung. Derzeit arbeiten die Menschen gerade in der Familiengründungsphase sehr viel. Wir sollten auf ein Arbeitszeitkonto umstellen. Grundsätzlich sind wir nicht gegen eine Arbeitszeitverkürzung, aber besser wäre es, jeden Euro, den die Regierung jetzt ausgibt, in arbeitschaffende Projekte zu investieren.

Also sind Sie für ein weiteres Konjunkturpaket?

Ja. Zum Beispiel soll die Wohnbauförderung ausschließlich für den Wohnbau eingesetzt werden dürfen, das bringt weit mehr als Investitionen in den Straßenbau. Außerdem müsste in Ballungsräumen wie Wien, Graz und Salzburg der Schienenausbau massiv unterstützt werden. Das schafft Arbeitsplätze und bringt so wieder mehr Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge.

Das führt uns direkt zur Steuerreform. Wie groß müsste denn die Gegenfinanzierung sein?

Klar ist, dass es eine Gegenfinanzierung geben muss. Eine Steuerreform ohne Gegenfinanzierung vorzuschlagen, wäre unseriös. Ich möchte dazu aber noch nichts Konkreteres sagen, weil wir unser Modell im Jänner im Detail vorlegen wollen. Darin wird eine Tarifreform beinhaltet sein und auch eine Erbschafts- und Schenkungssteuer.

Wird es bei der Erbschaftssteuer eine Freigrenze geben?

Ja, bis zu einem Erbe von 500.000 Euro zahlt man keine Steuer.

Zeigt der Fall Katrin Nachbaur, Klubchefin des Team Stronach, nicht auch, dass Frauen in der Politik diskriminiert werden?

Ich habe so etwas bei den Grünen nie erlebt - und ich habe zwei Kinder geboren.

Sollten Politikerinnen die Möglichkeit haben, in Mutterschutz und Kinderkarenz gehen zu können?

Man hat als Parlamentarierin andere Möglichkeiten als in anderen Berufen.

Außerdem finden sich im neuen Sozialprogramm der Grünen:

  • ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde;

  • ein Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab vollendetem ersten Lebensjahr;

  • ein Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflege-Teilzeit;

  • leistbares Wohnen durch neues Mietrecht, das die Mieter noch besser schützt;

  • leistbare Mobilität durch ein Öffi-Jahresticket für höchstens 365 Euro;

  • Zusammenlegung der Sozialversicherungen und Vereinheitlichung der Leistungen - es soll nur noch eine Krankenversicherung, eine Pensionsversicherung und eine Unfallversicherung geben;

  • Krankengeld auch für Ein-Personen-Unternehmen (EPU) ab dem vierten Krankenstandstag und Wegfall des 20-prozentigen Selbstbehalts bei der Krankenversicherung für EPU;

  • Vorrang für Bio-Produkte an Schulen und Kindergärten;

  • Inklusion auch im Arbeitsleben.