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Ein Pfau für den Frieden

Von Andreas Hackl

Politik
Einer von ihnen könnte der Tote sein, weiß das Publikum.
© Hackl

Theater in der israelischen Stadt Akko verschmilzt Realität und Vorstellung.


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Akko. Die Schreie eines Pfaus haben die Menschen im Jerusalemer Stadtviertel Silwan lange Zeit gequält. Bis ihn eines Tages ein israelischer Soldat erschossen haben soll. "Ich habe den Pfau noch schreien gehört. Er war wohl auf der Suche nach einer Partnerin", sagt Sinai Peter, einer von zwei israelischen Regisseuren des Theaterstücks "Der Pfau von Silwan", das diese Woche bei einem Festival in der israelischen Küstenstadt Akko von jüdischen und arabischen Schauspielern aufgeführt wurde. Kernthema: die Enteignung und Vertreibung von Palästinensern in Silwan durch jüdische Extremisten und den israelischen Archäologiepark "Davidstadt".

Doch die Geschichte von Sinai Peter und seinem Co-Regisseur Chen Alon beginnt ganz woanders, vor dem Tor eines alten osmanischen Gebäudes in Akko. In einer engen Gasse der Altstadt wird das Publikum vom ersten Schauspieler, einem bewaffneten Sicherheitsbeamten, empfangen. Im Hintergrund dröhnen Bohrungen. Oben die Wohnung von Palästinensern, direkt darunter Grabungen nach der jüdischen Geschichte von König David. Ein verzweifelter Schrei ist zu hören. Eine Leiche liegt auf einer Trage. "Keine Angst, das ist nichts", sagt der Security. "Aber ich zeige euch, was passiert ist." Dann wird die Zeit zurückgedreht.

Man sieht eine palästinensische Mutter ihr davongelaufenes Kind suchen. Sie bittet den Siedlerführer um Hilfe. Doch der hat nur eines im Sinn: die Familien aus dem Haus zu bekommen. Die junge Siedlerin Shosh hilft ihm dabei, indem sie Informationen sammelt. Die Show geht im ersten Stock weiter, wo das palästinensische Mädchen Jasmin im Friseursalon davon träumt, für eine Karriere als Sängerin nach Paris zu flüchten. Doch immer wieder dringen Siedler in den Salon ein, wo sich die einzige Toilette im Haus befindet. Die Geschichte endet letztlich tragisch, als Tamer - der Sohn der Nachbarn von Jasmin - von dem Sicherheitsbeamten erschossen wird.

Mehr als eine Stunde wird das Publikum durch eine Welt geführt, in der Realität und Spiel ständig ineinander übergehen. Die emotionale Belastung stand den Zusehern ins Gesicht geschrieben. Die Augen vieler standen unter Wasser. Sogar ein israelischer Siedler bedankte sich nach einer Vorstellung. "Ich habe mich selbst im Spiegel gesehen", meinte er.

Flucht zum Friseur

"Unser Stück ist die Verschmelzung von Realität und Vorstellung", sagt Dori Engel, der den Siedlerführer spielt. Viele der Elemente im Stück sind bei einem Besuch der Schauspieler in Silwan entstanden. Etwa ist der jüdisch-israelischen Schauspielerin Ortal Avnaim dort eine Menge Geld aus dem Auto gestohlen worden. Für sie war klar, dass die Diebe Araber gewesen sein müssen. Doch die arabische Schauspielern Rima Jawabra fauchte zurück. "Klar, du glaubst also sofort, dass es Araber waren?" Die beiden erinnern sich gut an diesen Streit, der wie viele andere Erlebnisse in die Show eingebaut wurde. Immerhin sind die jüdischen und arabischen Schauspieler selbst Teil des politischen Konflikts, den sie aufführen.

Auch der zentrale Schauplatz des Stücks, der Friseursalon "Pfau von Silwan", entstand beim Besuch im Jerusalemer Brennpunkt. Rima Jawabra ließ sich dort bei einer Friseurin die Augenbrauen zupfen und fand beim Tratsch mit der Besitzerin viel Neues über das Schicksal der Bewohner heraus. Wie etwa, dass sich Jugendliche auf der Flucht vor dem israelischen Militär oft bei der Friseurin versteckt haben.

Die Arbeit im Team sei jedenfalls nicht leicht gewesen, sagt Avnaim, deren Tante bei einem palästinensischen Terroranschlag gestorben ist. "Im Prinzip porträtieren wir die Perspektive der Araber. Doch das ist nötig. Denn über diese Perspektive wissen viele Israelis nichts."

Auch die Bühne selbst ist ein realer Konfliktherd. Denn von den vielen arabischen Bewohnern sind nur zwei arabische Familien in dem prächtigen Haus in Akko übrig geblieben. Der Rest wurde von einem vermögenden israelischen Besitzer hinausgeekelt, der mehr an Profiten als am Zusammenleben interessiert ist, heißt es.

"Die eindrucksvollste Szene im Stück war das Ende. Der Moment, als direkt neben dem ermordeten Tamer die realen arabischen Mieter des Hauses standen", sagt Sinai Peter nach einer Vorstellung. "In diesem Moment war einfach klar, dass der Tote genauso einer von ihnen sein könnte."