Experten bewerten die Maßnahmen der Regierung zur Ankurbelung des Arbeitsmarktes vorsichtig positiv.
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Wien. 70.000 Arbeitsplätze - zusätzlich zu jenen, die konjunkturell entstehen - will die Regierung bis 2021 schaffen. Dafür wurde in 70 Stunden langen Verhandlungen ein Arbeitsprogramm für 2017/18 mit einem umfassenden Maßnahmenpaket für Arbeit und Wirtschaft entworfen. Außerdem wird in Kindergärten, Schulen und Hochschulen investiert. 4 Milliarden Euro sind für das neue Arbeitsprogramm der Regierung insgesamt vorgesehen. Davon sollen zwei Drittel aus Einsparungen und Umschichtungen kommen und ein Drittel aus Wachstum. 800 Millionen Euro will Finanzminister Hans Jörg Schelling alleine durch Einsparungen bei den Ministerien - nicht im Unterrichts- und Wissenschaftsministerium - beim neuen Bundesfinanzrahmengesetz 2018-2021 hereinholen. Die "Wiener Zeitung" hat Experten gefragt, wie sie den Teil "Zukunft der Arbeit/Zukunft des Standorts" bewerten.
"Im Kleinen finden sich viele positive Vorschläge, die großen Themen - etwa die Pensionen oder die Frage der Gegenfinanzierung der Maßnahmen - wurden aber ausgespart", sagte Christoph Badelt, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Der Finanzminister versicherte am Dienstag allerdings, dass es klare Vorstellungen über die Finanzierung gebe.
"Das neue Regierungsprogramm ist ein wichtiges politisches Signal", befindet Wifo-Vizechef Marcus Scheiblecker. Der "Plan A" von Bundeskanzler Christian Kern finde sich jedenfalls in etwas abgespeckter Form wieder. Und vieles könne die Regierung auch nicht alleine entscheiden. Die Arbeitszeitflexibilisierung und den Mindestlohn müssten die Sozialpartner verhandeln. Bei der Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für EU-Bürger in bestimmten Branchen brauche es die Zustimmung aus Brüssel. Dagegen wehren sich allerdings vor allem östliche EU-Nachbarn, die von der Sperre betroffen wären.
"Zu wenig radikal"
"Zu wenig radikal, um Wirkung zu entfalten", urteilt etwa der Thinktank Agenda Austria. "Unerfreuliche Entwicklungen wie die extrem hohe Arbeitslosigkeit werden vielleicht abgeschwächt, aber nicht an der Wurzel angegangen. Und die durchaus vorhandenen sinnvollen Punkte sind zu wenige, um wirklich Wirkung zu entfalten", heißt es in einer Bewertung von Agenda Austria. Sinnvolle Maßnahmen seien zum Beispiel niedrigere Lohnnebenkosten bei zusätzlich eingestellten Arbeitnehmern oder ein weniger starrer Kündigungsschutz von älteren Arbeitnehmern. Allerdings, so Agenda Austria, viele neue Jobs würden durch den auf drei Jahre befristeten Beschäftigungsbonus nicht entstehen. Dafür wären generell niedrigere Kosten auf Arbeit nötig, etwa über niedrigere Sozialabgaben.
"Probleme erkannt"
Arbeitsmarktexperte Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS) ist weniger kritisch. Die Regierung habe für den Arbeitsmarkt ein positives Paket geschnürt. "Man sieht die Probleme und versucht, etwas dagegen zu setzen." Ob alles gelingen werde, werde man sehen. So habe sich die Regierung vorgenommen, die Arbeitslosigkeit um zwei Prozent zu senken, das sei sehr ambitioniert. Er bewertet die Lohnnebenkostensenkung um 50 Prozent für jeden zusätzlichen Vollzeitarbeitsplatz (Beschäftigungsbonus genannt) als "prinzipiell sinnvolle Maßnahme". Man könnte damit aber auch das Angebot insgesamt erhöhen. Das IHS habe berechnet, dass man bei einer Lohnnebenkostensenkung um eine Milliarde Euro 7000 Menschen mehr in Beschäftigung bringen und damit die Arbeitslosigkeit um 0,1 Prozent reduzieren kann. Auch die Beschäftigungsaktion 20.000 - damit werden Langzeitarbeitslose über 50 auf dem zweiten Arbeitsmarkt (Jobs im gemeinnützigen Bereich für Menschen, die sonst keine Chance haben) beschäftigt - sei gut, man sollte aber versuchen, die Menschen im regulären Arbeitsmarkt unterzubringen.
Auch Rainer Eppel, Arbeitsmarktexperte am Wifo, beurteilt die Beschäftigungsaktion positiv: "Dadurch werden für benachteiligte Menschen Jobs geschaffen, es wäre aber wichtiger, diese Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen." Eine Wifo-Studie zeige, dass Menschen, die im zweiten Arbeitsmarkt beschäftigt gewesen seien, wieder besser in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten. Das komme aber darauf an, wie diese Projekte begleitet würden. Die Regierung sieht hier den Start mit Pilotprojekten und eine Evaluierung vor. Um sicher zugehen, dass nur Arbeitslose profitierten, müssten Begleitmaßnahmen gesetzt werden.
"Potenzial, Jobs zu schaffen"
Der Beschäftigungsbonus, also die Senkung der Lohnnebenkosten, habe durchaus das Potenzial, zusätzliche Jobs zu schaffen, sagt Eppel. Aber auch er fürchtet wie sein Kollege Hofer von IHS, dass davon nicht notwendigerweise
Arbeitslose profitieren, sondern ein zusätzliches Arbeitskräfteangebot entsteht. Eppel hätte diesen Beschäftigungsbonus auch lieber als Teil eines Gesamtkonzepts einer umfassenderen (aufkommensneutralen) Steuer- und Abgabenstrukturreform gesehen mit dem Ziel, den Faktor Arbeit zu entlasten.
Die Stoßrichtung der Regierung sei richtig, stellte auch Wifo-Arbeitsmarktexpertin Christine Mayrhuber fest. Die Regierung habe den Arbeitsmarkt als Problem erkannt und handle danach. Das sei vernünftig und zu begrüßen. Allerdings wolle sie keine abschließende Bewertung vornehmen, da viele Punkte nicht ausformuliert seien.
Was allerdings auf Kritik bei fast allen stößt, ist die angestrebte Reduzierung auf den österreichischen Arbeitsmarkt aus Osteuropa durch die sogenannte Arbeitsmarktprüfung: "Nur wenn sich kein in Österreich gemeldeter Arbeitsloser findet, kann die Stelle ohne Einschränkung vergeben werden." Das sei ein Angriff auf die vier Grundfreiheiten der EU, sagt Hofer, und werde daher nicht durchsetzbar sein.