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Ein Physiker bezweifelt die Materie

Von Wolfgang Taus

Wissen

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"Ich habe mein ganzes Forscherleben damit verbracht, zu fragen, was hinter der Materie steckt. Am Ende gilt: Es gibt keine Materie!"

So spricht der deutsche Physiker, Friedensnobelpreisträger und Träger des Alternativnobelpreises Hans-Peter Dürr (Jahrgang 1929). In einem schmalen Band zeigt Dürr in einem tiefgreifenden Dialog mit dem deutschen Religionswissenschafter Peter Michel die Parallelen zwischen christlich-jüdischen wie hinduistisch-buddhistischen Einsichten und den neuesten Erkenntnissen moderner Quantenphysik auf. Nach Dürr habe der britische Physiker Stephen Hawking unrecht, der davon ausgeht, dass sich das Universum einfach aus sich selbst heraus erschaffen haben könnte.

Für Dürr macht es wenig Sinn, einen Gott aus der Schöpfung herauszunehmen und ihn dieser gleichsam gegenüberzustellen. Wenn man Gott und Schöpfung identifiziere, dann entgehe man vielen Problemen, welche der modernen Physik immer Schwierigkeiten bereiten. Wenn man die Wirklichkeit in die für klassische Physiker erkannte "Realität" verwandelt, dann habe man genau das zerstört, was das "Dazwischen" ausmacht, was aber, so Dürr, von entscheidender Bedeutung sei. Die klassische Physik will die "Wahrheit" finden - ohne irgendeinen Einfluss des Beobachtenden, unabhängig vom Beobachter. "Wir nehmen ein Objekt und isolieren es von einem Subjekt. Dann nennen wir es ‚Ding‘ (eine ‚res‘) und haben die sogenannte Realität", kritisiert Dürr.

Die klassische Physik, die möglichst exakte naturwissenschaftlich gesetzmäßige Aussagen über Vergangenheit und Zukunft geben möchte, bewege sich immer auf einer Ebene, auf der wahrhafte Erkenntnis nicht stattfinde. Dürr dazu etwas ketzerisch: "Der liebe Gott wusste das schon vorher. Warum sagt er es den Physikern nicht einfach? Er hat das so angelegt, weil die Physiker ja ihre Nobelpreise haben wollen!" Die Quantentheorie besage hingegen, dass es diese angenommene strenge Naturgesetzlichkeit gar nicht objektiv gibt.

Sachbuch

Es gibt keine Materie!

Hans-Peter Dürr

Crotona, 120 Seiten, 10,30 Euro