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Der Anti-Piraterie-Einsatz vor Somalia gilt als Vorbild für die EU-Mission zur Bekämpfung der Schlepper. Doch die Voraussetzungen sind gänzlich anders.
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Brüssel/Tripolis. Funktioniert hat eine Mission mit einem ähnlichen Ziel schon einmal. Seit mehreren Jahren schon patrouillieren europäische Fregatten und Seefernaufklärer am Horn von Afrika, um dort die Handelsschifffahrt vor somalischen Piraten zu schützen. Die Angriffe sind seitdem drastisch zurückgegangen, und in vielen Fällen reichte offenbar schon die Präsenz der ausländischen Kriegsschiffe aus, um die Seeräuber abzuschrecken. Von der völkerrechtlich gedeckten Möglichkeit, die Lager der Piraten auch an Land anzugreifen, wurde nur einmal Gebrauch gemacht.
Für die Befürworter eines europäischen Marineeinsatzes gegen die in Libyen operierenden Schlepperbanden liegt es daher nahe, auf die Erfolge zu verweisen, die die "Operation Atalanta" vor Somalia erzielt hat. Doch der Anti-Piraterie-Einsatz fand unter ganz anderen Vorzeichen und mit einer deutlich geringeren Anzahl an Variablen statt. So hat etwa die somalische Übergangsregierung der UN-Resolution 1816 zugestimmt, die es ausländischen Kräften erlaubt, bei der Bekämpfung von Piraten in somalischem Hoheitsgebiet zu operieren.
Dass ein solches Zugeständnis im Fall von Libyen deutlich schwieriger oder gar nicht zu bekommen sein wird, wurde bereits einen Tag, nachdem die EU-Außenminister grünes Licht für die Ausarbeitung der Marine-Mission gegeben haben, klar. "Die militärische Option zum Umgang mit Booten innerhalb oder außerhalb libyscher Gewässer wird nicht als menschenwürdig betrachtet", erklärte ein Sprecher der international anerkannten Regierung am Montag gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Zudem muss die EU nicht nur eine Regierung überzeugen, sondern zwei. Denn die islamistischen Milizen, die im Sommer in der Hauptstadt Tripolis einmarschiert sind, haben dort eine eigene Regierung gebildet, die nun in Konkurrenz zur international anerkannten Führung im ostlibyschen Tobruk steht.
Ohne das Einverständnis der libyschen Behörden führt der einzig völkerrechtlich gedeckte Weg für die Europäer jedoch nur durch den UN-Sicherheitsrat. Und anders als im Fall von Somalia zeigt sich Russland hier nur bedingt kooperativ. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass die Veto-Macht einem Bodeneinsatz in Libyen nicht zustimmen wird. Auch eine Einwilligung in die Zerstörung von Schleuser-Schiffen schließt Moskau bisher aus. Doch selbst für den Fall, dass es ein robustes UN-Mandat für den Einsatz gegen Schlepper in Küstennähe oder an Land geben sollte, ist unklar, ob sich die Europäer hier tatsächlich auf ein riskantes militärisches Abenteuer einlassen wollen. An der Küste Libyens gibt es laut einem internen EU-Papier schlagkräftige islamistische Milizen und schwere Waffen inklusive Artilleriebatterien, die eine ernste Gefahr für Schiffe und Flugzeuge der EU darstellen könnten.
Fischer oder Schleuser?
Hinzu kommen wohl massive Probleme bei der Vorab-Identifizierung. Denn in vielen Fällen dürfte sich ein Schlepperschiff von einem Fischerboot nur durch den Auftrag unterscheiden, den es gerade verfolgt. Viele der Schiffe sind zudem in Tunesien registriert und fahren erst dann in Richtung Libyen ab, wenn die Flüchtlinge unmittelbar zum Einsteigen bereit sind. "Drei Stunden vor einem Militäreinsatz würde niemand auch nur ein einziges Boot zum Zerstören finden", sagte ein Mitarbeiter einer Werft, die solche Boote produziert, unlängst der italienischen Zeitung "Il Giornale". Damit bliebe von jenem mehrstufigen Plan, den die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini vorgelegt hat, bestenfalls die Stufe zwei übrig. Diese sieht vor, dass EU-Kriegsschiffe von Schleusern genutzte Schiffe in internationalen Gewässern aufbringen. Das eigentliche Ziel, nämlich die Infrastruktur der Schlepper zu zerstören, könnte dabei zumindest durch die Hintertür erreicht werden. Denn nachdem die Flüchtlinge und eventuell anwesende Schlepper von Bord gebracht worden sind, ist das Wasserfahrzeug führerlos. Und als solches darf es versenkt werden, wenn es eine Gefahr für den Seeverkehr darstellt.