Dichtes Programm mit Protestbegleitung. | Impulse für die Ökumene erwartet.
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Berlin/Wien. Wenn Papst Benedikt XVI. am Donnerstag um 10.30 Uhr in Berlin landet, steht ihm das zweitdichteste Reiseprogramm seines Pontifikates bevor. 17 Reden soll er in Deutschland halten - nur 2009 im Heiligen Land sind es mehr gewesen, nämlich 29. Seit er im Amt ist, kam er zwar schon zweimal als "Pastoralreisender" in seine Heimat, doch nun kommt er erstmals zu einem Staatsbesuch. Gleich nach der Begrüßung durch den deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff wird das Oberhaupt des Vatikanstaates die deutsche Kanzlerin Angela Merkel treffen und dann eine Rede im Deutschen Bundestag halten.
Diese Ansprache wollen an die 100 Abgeordnete - vornehmlich aus der Linkspartei, aber auch aus der SPD und von den Grünen - boykottieren, weil sie diese für unvereinbar mit der Trennung von Kirche und Staat halten. Seitens der deutschen Bischöfe hat man dafür wenig Verständnis. "Es gehört sich, einen solchen Gast mit der notwendigen Freundlichkeit, mit Respekt und Noblesse aufzunehmen", erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch.
Die Stimmung gegenüber dem Papstbesuch ist geteilt. Auf der einen Seite gibt es zehntausende Anmeldungen für die Gottesdienste, sodass man jenen am Abend des Ankunftstages ins Berliner Olympiastadion verlegt hat. Das Hochhaus des Springer-Medienkonzerns ist zum Empfang des Papstes mit riesigen Papst-Bildern verhüllt und ruft die Schlagzeile der "Bild"-Zeitung von 2005 zur Wahl Joseph Ratzingers in Erinnerung: "Wir sind Papst!"
Auf der anderen Seite wird sich während der Bundestagsrede eine Protestdemonstration gegen den Papstbesuch, vor allem gegen die vom Vatikan vorgegebene Sexualmoral, formieren. Auch dass die hohen Sicherheitskosten, weil es ein Staatsbesuch ist, von allen deutschen Steuerzahlern getragen werden müssen, stößt auf Kritik.
Seit dem Bekanntwerden vieler Fälle von Kindesmissbrauch in ihrem Umfeld hat die katholische Kirche auch in Deutschland einen besonders schweren Stand. 181.193 Menschen sind 2010 aus ihr ausgetreten. Nur etwa ein Achtel der 24,651 Millionen Mitglieder besucht regelmäßig den Gottesdienst. Mit einem Anteil von 30,2 Prozent sind die Katholiken in einem stark protestantisch und laizistisch geprägten Land keineswegs dominant. Vor allem Berlin, wo gerade die zeitgeistige "Piratenpartei" reüssierte und mehr Muslime als Katholiken leben, ist eine bunte Stadt, in der bereits 1996 das Papamobil Johannes Pauls II. mit Farbeiern beworfen wurde.
Von der nächsten Station des Papstes, Erfurt in Thüringen, erwartet man sich vor allem neue Impulse für die Ökumene. Beim Abschluss in Freiburg im Breisgau wird mit Spannung die päpstliche Rede zum Engagement der Katholiken in Kirche und Gesellschaft erwartet.
Aus Österreich sind der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser, dessen Weihbischof Andreas Laun und der Feldkircher Bischof Elmar Fischer in Deutschland präsent. Fischer vollendet am 6. Oktober das 75. Lebensjahr. Der Vatikan ist dann am Zug, einen Nachfolger zu bestimmen.