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Ein Pontifikat, das Geschichte schrieb

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Das Pontifikat von Johannes Paul II. wird nicht nur als drittlängstes der rund 2000-jährigen Papstgeschichte in Erinnerung bleiben, sondern auch als eines, das zahlreiche Rekorde aufstellte. Rund 1,2 Millionen Kilometer legte der am 18. Mai 1920 im polnischen Wadowice geborene Karol Jozef Wojtyla auf seinen 104 Auslandsreisen zurück - rund dreimal die Strecke von der Erde zum Mond oder 29 Erdumrundungen. 129 Länder besuchte er dabei. In seiner mehr als 26-jährigen Amtszeit ernannte er 234 Kardinäle und sprach 482 Personen heilig und 1.338 selig - mehr als alle seine Amtsvorgänger zusammengenommen.


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Als Karol Wojtyla, der am 1. November 1946 in Krakau zum Priester geweiht worden war, am 28. September 1958 zum Bischof und am 28. Juni 1967 von Papst Paul VI. im Alter von nur 47 Jahren in den Kardinalsstand erhoben worden war, am 16. Oktober 1978 als erster Nichtitaliener seit dem Tod des aus Utrecht stammenden Papstes Hadrian VI. im Jahr 1523 Kirchenoberhaupt wurde, galt das schon als Sensation. Niemand konnte damals ahnen, dass nach der nur 33 Tage langen Amtszeit seines Vorgängers Johannes Paul I. eines der längsten Pontifikate der Geschichte folgen sollte. Dabei wäre die Amtszeit von Johannes Paul II. beinahe schon im dritten Amtsjahr zu Ende gewesen als er während einer Generalaudienz auf dem Petersplatz am 13. Mai 1981 von dem rechtsextremen Türken Ali Agca durch Schüsse in den Bauch schwer verletzt wurde. Der Besuch des Papstes bei seinem Attentäter im Gefängnis war ein berührendes Zeugnis der menschlichen Größe Johannes Pauls II.

Attentat am 13. Mai 1981

Wie aus erst in den letzten Tagen bekannt gewordenen Stasi-Akten hervorgeht - vermutet hatte man das schon länger - hatten bei diesem Anschlag östliche Geheimdienste die Hand mit im Spiel. Tatsächlich hatten die kommunistischen Diktaturen Osteuropas das Charisma des polnischen Papstes zu fürchten, der beim Zusammenbruch dieser Regime eine Rolle spielte, die erst künftige Historiker in ihrer ganzen Tragweite werden beurteilen können. Heute schon gilt sein Kampf gegen den Kommunismus und der Zusammenbruch des Ostblocks im Wendejahr 1989 als sein Lebenswerk.

Neun Reisen nach Polen machten Weltgeschichte

Neun Mal reiste der Papst in seine alte Heimat Polen, die trotz des kommunistischen Regimes immer eine Hochburg des Katholizismus geblieben war - das erste Mal bereits im Jahr 1979. Einige seiner 104 Auslandsreisen führten ihn auch in die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Selbst der kubanische Staats- und KP-Chef Fidel Castro empfing ihn. Nur Moskau und Peking fehlten auf seinen Reiserouten.

Eine weitere große Aufgabe hatte Johannes Paul II. in der Aussöhnung mit den großen Weltreligionen. Besonders die Bereinigung des schwer belasteten Verhältnisses zwischen Juden und Christen war ihm ein besonderes Anliegen. Als erster Papst der Geschichte kam er zu Besuch in eine Synagoge - am 13. April 1986 in Rom, wo er mit Oberrabbiner Elio Toaff zusammentraf. Am 30. Dezember 1993 wurde ein Grundlagenvertrag zwischen dem Vatikan und Israel zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen unterzeichnet und am 23. März 2000 besuchte Johannes Paul II. in Jerusalem die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vaschem. Zwei Jahre zuvor, am 16. März 1998 hatte der Papst im Dokument "Nachdenken über die Shoah" die Mitschuld der Christen, aber nicht die der Kirche am Holocaust anerkannt. Getrübt wurden die Beziehungen zum Judentum aber etwas durch die Seligsprechung der Nonne Edith Stein, die in Auschwitz als Jüdin und nicht als Nonne getötet worden war und die Bemühungen um die Heiligsprechung von Papst Pius XII., dessen Schweigen zur Judenverfolgung durch die Nazis immer wieder zu kontroversiellen Auseinandersetzungen führte.

Johannes Paul II. war aber auch der erste Papst, der in einer Moschee betete - am 6. Mai 2001 in der Omayyaden-Moschee in Damaskus .

Auch das Gebetstreffen der zwölf großen Weltreligionen für den Frieden in Assisi am 24. Jänner 2002 setzte international beachtete Maßstäbe.

Nur schleppend hingegen verlief der Dialog unter den christlichen Kirchen, da der Vatikan nicht einmal zu formalen Abstrichen von seinem Führungsanspruch bereit war und bekräftigte, dass die anderen christlichen Kirchen keine Schwester-, sondern nur Tochterkirchen der römisch-katholischen seien.

Innerkirchliche Probleme

Auch innerkirchlich ist das lange Pontifikat Johannes Pauls II. von konservativen Vorstellungen geprägt. Davon können die Vertreter der Theologie der Befreiung in Südamerika ebenso ein Lied singen wie etwa der in Tübingen lebende Schweizer Theologe Hans Küng, dem vom Vatikan 1979 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen wurde. Erst in der dieswöchigen Ausgabe des "Spiegels" kritisierte Küng die Haltung des Papstes zu den Fragen Rolle der Frauen, Sexualmoral, Priesterzölibat und Ökumene. Küng wirft Johannes Paul II. vor, nach außen hin für die Menschenrechte einzutreten, sie aber innerkirchlich Bischöfen, Theologen und Frauen zu verweigern. Hans Küng konstatiert im Papstamt Johannes Pauls II. ein "Pontifikat der Widersprüche".

Die Frage der Sexualmoral

Diese wurden nirgendwo deutlicher als in Fragen der Sexualmoral, wo Johannes Paul II. auf stockkonservativen Wertvorstellungen bestand, Homosexualität und alternative Formen des Zusammenlebens als Angriff auf die Werte des traditionellen Familienbildes brandmarkte, gleichzeitig aber bis in höchste Klerikerkreise hinauf mit einer Reihe von Pädophilieskandalen konfrontiert war.

Umstritten waren auch viele Personalentscheidungen des Vatikans in der Zeit Johannes Pauls II. In Österreich sind die Ernennungen von Hans Hermann Groer zum Erzbischof und Kardinal von Wien und die des St. Pöltener Bischofs Kurt Krenn zwei besonders markante Beispiele, die der Kirche langfristig schweren Schaden zugefügt haben.

Kontroversen um Seligsprechungen

Auch die Seligsprechungen, die unter Johannes Paul II. ein inflationäres Ausmaß angenommen haben, waren oftmals der Anlass für heftige Kontroversen. Als im September 2000 die beiden Päpste Johannes XXIII. und Pius IX. am gleichen Tag beatifiziert wurden, herrschte zwar über die Seligsprechung von Johannes große Einmütigkeit, jene des ultrakonservativen Pius IX. stieß aber teilweise auf ebenso schwere Bedenken wie die des Opus-Dei-Begründers Escriva am 6. Oktober 2002 oder die pauschale Seligsprechung der im spanischen Bürgerkrieg ums Leben gekommenen Geistlichen. Auch die am 4. Oktober des Vorjahres erfolgte Seligsprechung des letzten österreichischen Kaisers, Karl I., stieß nicht überall auf ungeteilte Zustimmung.

Die innerkirchlichen Differenzen wurden auch in den letzten Tagen, als sich der Gesundheitszustand des Langzeitpapstes immer mehr verschlechterte, rund um die angeblich geplante und dann wieder dementierte Pensionierung von Kurienchef Kardinal Angelo Sodano deutlich. Hinter diesen Vorgängen zeigte sich schon ein heftiges Tauziehen, das beim kommenden Konklave, in dem der Nachfolger des verstorbenen Johannes Paul II. gewählt wird, zu einer Pattstellung zwischen konservativen und liberalen Kardinälen führen könnte. Einige wenige Stimmen könnten dann ausschlaggebend für die Zukunft der römisch-katholischen Kirche sein.