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Ein Pontifikat der Superlativen

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Als der damalige Erzbischof von Krakau, Karol Wojtyla, am 16. Oktober 1978 im achten Wahlgang des Konklaves zum neuen Papst gewählt worden war, galt das als Sensation ersten Ranges. 455 Jahre lang - seit dem Tod des aus Utrecht stammenden Papstes Hadrian VI. im Jahr 1523 - waren nur italienische Kandidaten zu Päpsten gewählt worden. Karol Wojtyla war der erste Slawe auf dem Stuhl Petri und dazu kam er aus dem damals noch kompakt erscheinenden kommunistischen Ostblock.


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Als der neue Papst den Namen seines 18 Tage zuvor verstorbenen Vorgängers Johannes Paul I. annahm, der nach nur 33 Tagen im Amt überraschend gestorben war, wusste noch niemand, dass nach einem der kürzesten Pontifikate in der fast 2000-jährigen Geschichte des Papsttums eines der längsten folgen würde. Nur Petrus, für den eine Amtszeit von 34 Jahren angenommen wird, Pius IX. (32 Jahre 6 Monate) und Leo XIII (25 Jahre 5 Monate) waren länger im Amt als Johannes Paul II., der nicht nur durch seine lange Amtsdauer ins Buch der Rekorde eingehen wird. Kein Papst vor ihm traf mit so vielen Gläubigen in aller Welt zusammen wie Johannes Paul II. Allein 16,7 Millionen Menschen kamen zu seinen Generalaudienzen. 690 Staatsoberhäupter und 226 Premiers empfing der Pontifex Maximus in seinen Audienzen. Allein 102 Reisen führten das katholische Kirchenoberhaupt, das in seinen ersten Amtsjahren deswegen auch den Beinamen "Eiliger Vater" bekommen hatte, ins Ausland. 129 verschiedene Staaten wurden dabei besucht. Während dieser Reisen hielt der Papst 2.409 Reden. Allein neunmal reiste er in seine alte Heimat Polen - das erste Mal 1979. Seine Ausstrahlung war nicht unwesentlich am Fall des Kommunismus beteiligt, der in Polen mit dem Entstehen der Gewerkschaft Solidarnosc zu Beginn der achtziger Jahre und mit den ersten freien Wahlen im Frühjahr 1989 seinen Anfang nahm.

Einige seiner Reisen führten ihn auch in Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Nur ein Besuch in Moskau blieb ihm bisher verwehrt. Selbst Kubas KP-Chef Fidel Castro zählte zu den Gastgebern Johannes Paul II., der auch als erster Papst eine Synagoge betrat und in einer Moschee betete.

In Österreich war der Papst seit seinem Amtsantritt dreimal zu Besuch. Seit Pius VI., der 1782 Kaiser Joseph II. in Wien wegen der Klosterauflösungen ins Gewissen geredet hatte, war Johannes Paul II. der erste Papst, der Wien besuchte.

Unangefochten an der Spitze liegt Johannes Paul II. bei der Ernennung von Kardinälen. In neun Konsistorien ernannte er 234 Kardinäle, von denen 58 bereits wieder verstorben sind. Leo XII. (1878 bis 1903) liegt da mit 147 Kardinalsernennungen weit hinter ihm auf Platz 2. Und bei den Heilig- und Seligsprechungen können es alle Päpste zusammen nicht mit Johannes Paul II. aufnehmen. 1.314 Personen wurden während seines 25-jährigen Pontifikats selig gesprochen. Nicht alle Beatifikationen stießen auf ungeteilte Zustimmung. Etwa die pauschale Seligsprechung der im spanischen Bürgerkrieg getöteten Geistlichen und jene von Papst Pius IX. wurden auch kritisch kommentiert. Die Anzahl der Heiligen stieg in diesem Vierteljahrhundert um 476. Papst Paul VI., der bisherige Rekordhalter, brachte es gerade einmal auf 84 Heiligsprechungen. Insgesamt gab es seit Papst Klemens VII (1592 bis 1605) bis Paul VI. gerade einmal 302 Heiligsprechungen.

Nicht unumstritten waren personelle Entscheidungen, speziell Bischofsernennungen, bei denen in früheren Jahren oft eine extrem konservative Handschrift zu erkennen war, etwa bei den Bischofsernennungen von Krenn, Eder und Groer in Österreich. Reformorientierte Theologen wie Leonardo Boff, Hans Küng und Jacques Gaillot hatten disziplinäre Maßnahmen hinzunehmen.

Beinahe wäre das, was heute als viertlängstes Pontifikat gilt, schon im dritten Jahr zu Ende gewesen. Während einer Generalaudienz am 13. Mai 1981 schoss der rechtsextreme Türke Ali Agca mehrmals auf den Papst und verletzte ihn schwer. Es war ein Zeichen seiner menschlichen Größe, dass er den Attentäter Jahre später im Gefängnis besuchte. Als Johannes Paul II. genau ein Jahr nach dem Attentat eine Dankeswallfahrt nach Fatima machte, wurde er beinahe wieder Opfer eines Anschlags, den ein Priester aus der Anhängerschaft des traditionalistischen Bischofs Marcel Lefebvre auf ihn geplant hatte.

Die Folgen des Anschlags von 1981, sowie mehrere weitere Operationen und eine lange Zeit nicht eingestandene Parkinson-Erkrankung haben den gesundheitlichen Zustand des Papstes, der in seinen ersten Amtsjahren alljährlich Schifahren ging, im letzten Jahrzehnt schwer beeinträchtigt. Der nunmehr 83-Jährige kann kaum noch gehen und zuletzt bei seiner Reise in die Slowakei Mitte September musste er seine geplante Rede verlesen lassen, weil ihm die Stimme versagte. Spekulationen, er könnte vorzeitig von seinem Amt zurücktreten, hat Johannes Paul II. aber stets zurückgewiesen.