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Es braucht eine Plattform von Politik, Sozialpartnern und Zivilgesellschaft.
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Pflaster auf Wunden ohne Wundbehandlung. Erste-Hilfe von nicht immer dafür Kundigen. So stellt sich nach sieben Wochen Lockdown die Wirkung vieler Corona-Hilfspakete dar, die trotz der offensichtlich werdenden Mängel zu schnüren sind. Nicht immer kommen aber die notwendigen Unterstützungen dort an, wo sie gebraucht werden. Nicht erst bei der AUA stellt sich die Frage, welche Unternehmungen welche Rolle in einer Post-Corona-Wirtschaft einnehmen sollen. Dann dämmert die Erkenntnis, dass die zu Beginn des Lockdown in Monaten genannte Dauer des Corona-Problems sich durchaus zu Jahren auswachsen könnte.
Indikatoren kündigen ein tektonisches Beben in der Wirtschaft an, das vor wenigen Wochen noch unvorstellbar war. Nach diesen sieben Wochen verzeichnet Österreich die höchsten Beschäftigungseinbußen seit fast 70 Jahren und ein Rekordniveau von Arbeitslosen, das sich 600.000 Personen nähert. Noch wird für die am BIP gemessene wirtschaftliche Aktivität heuer ein Rückgang unter einem zweistelligen Wert erwartet, aber das ist nicht gesichert. Ein alarmierender Befund kam vor wenigen Tagen vom IWF: die globale Wirtschaft bewegt sich einem viel schlechteren Zustand zu als bei der von den Finanzmärkten ausgelösten Krise 2008; seit der Weltwirtschaftskrise vor rund 90 Jahren findet sich außerhalb von Kriegszeiten keine vergleichbare Herausforderung.
Das sollten ausreichende Signale sein, um vom Erste-Hilfe-Modus auf einen Post-Corona-Modus mit einem professionellen Krisenmanagement für die Wirtschaft umzuschalten. Dass dafür bisher vom Bundeskanzler bis zu den Bundesministern mit den Vokabeln "Aufsperren", "Hochfahren" und "Auferstehen" nur wenig Orientierung kam, ist nicht notwendigerweise ein Hinweis auf Defizite in der wirtschaftspolitischen Kompetenz. Diese Krisensituation ist so intensiv und so anders, dass dafür keine vergleichbare Erfahrung und Therapie vorliegt, auf die zurückgegriffen werden könnte.
Aus dieser Einsicht sollte ein ähnliches Instrument entstehen, wie das European Recovery Program (ERP) nach dem Zweiten Weltkrieg. Dafür könnte eine breite Plattform von Politik, Sozialpartnern und Zivilgesellschaft eingerichtet werden, um Konzepte zu sammeln, wie sich die österreichische Wirtschaft im Rahmen des European Green Deal der EU und der im Programm dieser Bundesregierung für 2040 angepeilten Klimaneutralität entfalten soll. Von dieser Plattform wären alle finanziellen Unterstützungen aus öffentlichen Budgets auf Verträglichkeit mit diesen Perspektiven zu prüfen und öffentlich zu machen. Damit wäre auch ein gravierender Mangel der derzeitigen Corona-Hilfen ausgebessert. Eine solche Plattform wäre ein Inkubator für Innovationen, die vom Steuersystem bis zur Neugestaltung unseres Wirtschaftsprofils reichen.
Die Institutionen der Wirtschaftspolitik können die Ernsthaftigkeit der aktuellen wirtschaftlichen Krise durch Beschwichtigungsbotschaften verharmlosen und verdrängen. Das erinnert aber an jene Anekdote, wo ein aus dem Fenster eines hohen Gebäudes Gestürzter im Vorbeiflug beim zweiten Stockwerk der Meinung ist, dass noch nichts Schlimmes passiert sei.
So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.