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Ein Postamt in der Tiefe der Tropfsteinhöhle

Von Mathias Ziegler

Wissen
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 Wir schreiben das Jahr 1213, es ist die Zeit der Kreuzzüge. Die Trosse der (mehr oder weniger) heiligen Heere schieben sich auch durch das Hinterland des heutigen Slowenien. Und irgendwie kann man dieses fahrende Volk auch als Touristen bezeichnen. Deshalb können die Betreiber der Tropfsteinhöhlen von Postojna von sich behaupten, dass selbige vor genau 800 Jahren zum ersten Mal von Touristen besucht wurden. Heute gelten sie als zweitgrößtes touristisch erschlossenes Höhlensystem der Welt.
Das 800-jährige Jubiläum wird nicht nur mit einer slowenischen 2-Euro-Sondermünze gefeiert, sondern auch mit einer Sonderbriefmarke, die einen starken Österreich-Bezug hat. Denn am 15. August 1899 nahm hier die österreichisch-ungarische Post das älteste unterirdische Postamt in Betrieb, 500 Meter tief im Berg. Die in der Höhle aufgegebenen Ansichtskarten wurden mit einem zweikreisigen Poststempel mit der Aufschrift "Adelsberger Grotte – Postojnska Jama" versehen. Anfangs war es lediglich zu besonderen Anlässen geöffnet, ab 1911 jedoch täglich. Vier Postangestellte waren mit einer beachtlichen Anzahl an Versendungen beschäftigt. So wurden den Aufzeichnungen zufolge am Pfingstmontag des Jahres 1909 rund 37.000 Ansichtskarten verkauft, am Pfingstmontag zwei Jahre später waren es bereits 75.000. Während der Sommersaison verkauften die Postangestellten in der Grotte täglich zwischen 6000 und 11.000 Ansichtskarten.
Auch militärisch war Postojna bedeutend für Österreich-Ungarn: Während des Ersten Weltkrieges befand sich hier der Sitz des österreichischen Millitärkommandos der Isonzo-Front, die Armeeführung feierte Weihnachten in der Höhle von Postojna. 1920 wurde die Höhle Teil des Gebietes des italienischen Königreichs. Das Postamt wurde weiter betrieben. 1927 ging ein größeres Postamt in Betrieb, diesmal 1200 Meter vom Höhleneingang entfernt.
Insgesamt umfasst das Höhlensystem rund 20 Kilometer, einen Teil davon kann man mit einem eigenen Höhlenzug besichtigen, den Rest zu Fuß, und zwar ebenerdig ohne Treppen. Die Schienen für die Eisenbahn, die als erste touristische Höhlenbahn der Welt gilt, wurden 1872 gelegt, zunächst schoben Höhlendiener die Wagen. Regelmäßig waren auch Mitglieder der Habsburger Kaiserfamilie zu Gast. So zum Beispiel Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth am 11. März 1857. Für sie wurde eigens ein Obelisk aufgestellt. Am 15. Juli 1883 kam das Kaiserpaar erneut hierher, Anlass war das 600-jährige Jubiläum des Anschlusses von Krain an die Habsburger-Monarchie. Damals war die Höhle bereits elektrisch beleuchtet. Berühmt war sie damals auch für die Ballfeste, die in der Grotte stattfanden (im Ballsaal war auch das Postamt anfangs untergebracht, heute ist es in der Konzerthalle).
Im Zweiten Weltkrieg war die Grotte für Touristen gesperrt, am 15. August 1945 wurde sie wieder eröffnet, zu diesem Zeitpunkt war die jugoslawische Post für das Postamt zuständig, seit 1991 ist es die slowenische. Seit 24. Juni 2011 tragen alle Ansichtskarten, die im Konzertsaal aufgegeben werden, einen Grottenolm im Stempel, dazu die Aufschrift "6230 Postojna – Postojnska Jama".
In den ersten 600 Jahren waren übrigens lediglich die Eingangsbereiche der Höhle bekannt, erst Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckte der Einheimische Luka Čeč deren Fortsetzung. Heute werden die Tropfsteinhöhlen, in denen die Temperatur konstant bei 10 Grad liegt, von einer halben Million Menschen pro Jahr besucht.

Artikel erschienen am 31. Mai 2013 in: "Wiener Zeitung", Beilage "Wiener Journal", Seite 16 bis 17.