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Ein pralles Leben in aufregenden Zeiten

Von Walter Hämmerle

Politik

Ludwig Steiner 1922 - 2015: Widerstandskämpfer und Zeitzeuge der Zweiten Republik.


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Walter Hämmerle

Wien. Ein pralles Leben: Für jenes von Ludwig Steiner ist auch das noch eine Untertreibung. Mit seinem Tod am Sonntag in Wien endet ein Kapitel der österreichischen Geschichte. Jenes, das vom Untergang der Ersten Republik, von Kriegsdienst und Widerstand gegen die Nazi-Diktatur, vom Wiederaufbau, der Zweiten Republik und dem Ringen um den Staatsvertrag zu erzählen wusste. Nicht nur so, aus zweiter Hand, sondern hautnah aus nächster Nähe, als Akteur und Zeitzeuge.

Davon erzählen ab jetzt nur noch die Geschichtsbücher, nicht mehr Ludwig Steiner. Was ein wirklicher Jammer ist, denn über seine Erlebnisse erzählen, das tat Steiner quasi bis zum Schluss für sein Leben gern. Und er tat dies mit großer persönlicher wie politischer Integrität, auf die nie - in Österreich durchaus nicht die Regel - auch nur ein Schatten fiel. Im vergangenen April noch konnte der Autor dieser Zeilen mit Steiner über die Gründungstage der Republik, die heuer ihren 70. Geburtstag feiert, reden. Da präsentierte er sich kurz vor seinem 93. Geburtstag zwar körperlich geschwächt, aber im Kopf nach wie vor hellwach.

Tiroler im Widerstand

Tiroler wurde Steiner durch seine Geburt am 14. April 1922 in Innsbruck; das Christlich-Soziale wurde ihm in die Wiege gelegt. Der Vater, ein Bäcker, war bereits als christlich-sozialer Politiker aktiv; er starb an den Folgen der Folter im Konzentrationslager. Der Sohn wurde zur Wehrmacht eingezogen und schwer verletzt. Von 1943 an war er im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv. Als der spätere Außenminister und Tiroler Landeshauptmann Karl Gruber mit der vorrückenden US-Armee verhandelte, war der junge Steiner ebenfalls dabei. Überhaupt Gruber: Erst fungierte Steiner als Sekretär des Landeshauptmanns, später dann als solcher des Außenministers. Dazwischen absolvierte er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften und trat in den diplomatischen Dienst ein.

Als Gruber 1953 innerparteilichen Machtkämpfen in der ÖVP zum Opfer fiel, hielt Steiner seinen Ausflug in die Politik für beendet. Ein Irrtum. Bundeskanzler Julius Raab holte den talentierten wie loyalen Tiroler in sein Kabinett, wo dieser auch an den Verhandlungen zum Staatsvertrag mitwirkte. Nach einem erneuten diplomatischen Zwischenspiel stieg Steiner 1961 zum Staatssekretär im Außenministerium auf; der Chef hieß damals Bruno Kreisky; es folgten weitere Stationen im Außendienst, darunter in Griechenland und auf Zypern; ab 1979 und bis 1990 war er Abgeordneter im Nationalrat, wo er bei den Untersuchungsausschüssen zu den Lucona-, Noricum- und Draken-Affären jeweils Vorsitzender war.

"Ein großer Österreicher"

© WZ Online / Hämmerle, Zauner

Südtirol war für den Innsbrucker Lebensthema, dessen Autonomie-Lösung pries er als Modell für das friedliche Zusammenleben von ethnischen Minderheiten. Als überzeugter NS-Gegner war er ab 1994 Vize-Präsident des Dokumentationsarchivs des Österreichisches Widerstands (DÖW), auch als Vorsitzender des Österreichischen Versöhnungsfonds zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter bemühte er sich um Versöhnung und Gesten der Wiedergutmachung.

Steiners Lebenswerk fand am Montag parteiübergreifende Würdigung: Bundeskanzler Werner Faymann würdigte Steiner als einen "großen Österreicher, Patrioten und bedeutenden Zeitzeugen der Zweiten Republik". Vizekanzler Reinhold Mitterlehner nannte ihn "einen großen Österreicher, einen großen Politiker und eine der ganz großen Persönlichkeiten der Österreichischen Volkspartei". Politiker nördlich und südlich des Brenners würdigten Steiner als einen der Väter der Autonomie-Lösung. Für Altkanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) war er ein "Zeitzeuge von größter persönlicher Glaubwürdigkeit".

Steiner, dessen Frau Danielle, mit der er 51 Jahre verheiratet war, bereits vor neun Jahren starb, hinterlässt eine Tochter und einen Sohn.

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