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Ein Preis fürs Image

Von WZ-Korrespondentin Kathrin Lauer

Politik

Premier Orbán entzweit mit der Ehrung des Literaten Imre Kertész Ungarns Linksliberale.


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Budapest. Inmitten heftigen Streits um die Deutung von Ungarns Rolle im Holocaust ist es der rechtsnationalen Regierung in Budapest gelungen, das links-liberale Lager mit einem schlauen Coup zu entzweien: Der Nobelpreisträger Imre Kertész, berühmt für seine Auseinandersetzung mit dem Holocaust in seinem "Roman eines Schicksallosen", hat den höchsten staatlichen Orden seiner Heimat bekommen. Dass die Regierung von Viktor Orbán, der immer wieder vorgeworfen wird, sich nicht genug von Rechtsradikalen und Antisemiten zu distanzieren, damit die diesbezügliche Kritik Lügen strafen will, scheint verständlich. Rätselhaft bleibt, warum Kertész diesen Orden angenommen hat. Der schwerkranke 84-Jährige, der seit einiger Zeit keine Interviews mehr gibt, ließ über seine Frau ausrichten, dass er damit "das Verlangen nach Schaffung eines Konsenses und dessen unaufschiebbare Notwendigkeit" signalisieren wolle.

Staatspräsident Janos Áder würdigte, dass Kertész "mit anatomischer Präzision" gezeigt habe, "was Diktaturen mit der menschlichen Seele anrichten". Bei der Zeremonie schüttelte auch Ministerpräsident Viktor Orbán dem Preisträger die Hand - derselbe Orbán, der den Ungarn jüngst ein Denkmal zur deutschen Besatzung aufgedrängt hat, das die jüdischen Verbände und die antifaschistische Szene als Geschichtsfälschung verurteilen. Der Vorwurf: Ungarns Rolle beim Holocaust werde damit heruntergespielt. Das staatliche Programm zum diesjährigen Holocaust-Gedenken ist wegen dieses Streits so gut wie gescheitert.

Orbáns Kanzleichef János Lázár bemüht sich derzeit um eine Wiederaufnahme des abgebrochenen Dialogs mit den jüdischen Verbänden. Orbán selbst, der jüngst mit seinen Visionen von einem "illiberalen Staat" europaweit für Verstörung gesorgt hat, will offenbar jetzt sein Image als Demokratiefeind korrigieren. Auf einem Volksfest zum Grenzdurchbruch der DDR-Flüchtlinge 1989 in Sopronpuszta hat er am Dienstag seine ursprünglichen Aussagen relativiert. Russland und China, die er noch wenige Wochen zuvor als Vorbilder darstellte, seien keine auf Ungarn übertragbare Modelle, sagte er.

Ideologie der Gleichsetzung

Die Ordensverleihung für Kertész war mit einer Reihe peinlicher vermeintlicher Lobeshymnen in der regierungsnahen Presse vorbereitet worden. Orbáns Chefideologin in Sachen Holocaust, die Historikerin Maria Schmidt, würdigte dabei vor allem, dass Kertész den Nationalsozialismus und die kommunistische Diktatur gleichermaßen verurteilt habe. Diese Lesart entspricht der Ideologie der Gleichsetzung beider Diktaturen, die auch das von Schmidt geführte Terrorhaus-Museum in Budapest vermittelt.

In der Tat haben beide Diktaturen Kertész geprägt. Oft hat er gesagt, dass Auschwitz für ihn nicht nur den Massenmord an Juden bedeute, sondern vor allem den moralischen "Nullpunkt", der die Verletzlichkeit des Humanismus in Europa markiere. Die Erfahrung mit der kommunistischen Diktatur hätte ihm geholfen, Auschwitz und die Mechanismen der Diktatur zu verstehen. Dahinter aber eine plumpe Gleichsetzung zu sehen, hieße, Kertész zu missdeuten.

Namhafte liberale Persönlichkeiten wie etwa die Philosophin Agnes Heller nahmen Kertész gegen Anschuldigungen in Schutz, Orbán als Feigenblatt zu dienen. Kertész bekomme den Orden nicht von der Regierung, sondern vom Staat. Im Übrigen habe 1957 unter anderem der namhafte Komponist Zoltán Kodály (1882-1967) vom damals tief stalinistischen Ungarn einen Preis angenommen, schrieb Heller.

Der Orden des Heiligen István war 1764 von Kaiserin Maria Theresia geschaffen worden. Die Kommunisten schafften ihn 1946 ab, Orbáns Regierung führte ihn 2011 wieder ein. Einer der Ordensträger war Hitlers Luftwaffenchef Hermann Göring. Ein Orden, der im Jahr 2014 Konsens schaffen soll, müsste eine andere Geschichte haben.