Es ist fast ein Weihnachtswunder: Die "journalistische Selbstkontrolle" gibt es wirklich. Sie muss sich nur noch entfalten.
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"Österreichischer Presserat" heißt die Institution. Sie dient der redaktionellen Qualitätssicherung und der Gewährleistung der Pressefreiheit. Der Presserat hat die Arbeit aufgenommen und wird sich am 26. Jänner 2011 in einer Matinee in der alten Börse in Wien vorstellen. Damit ist, wenigstens formal, die peinliche Lücke gefüllt, die nun schon neun Jahre lang die österreichischen Medienverhältnisse sehr negativ von denen anderer Staaten - beispielsweise Deutschlands - unterschied.
Es gab seit dem Untergang des alten Presserates im Dezember 2001 zwar viele wichtige Stimmen, aber keine allgemein anerkannte Institution mehr, der sich die Medien zur Sicherung der eigenen Qualität und ihres ethischen Standards unterwarfen.
Jetzt ist alles gut? Noch nicht. Schon mit der ersten Handlung des Presserates, die eine Beschwerde des Präsidenten des Rechnungshofes, Josef Moser, gegen die Boulevardzeitung "Österreich" betraf, erwies er sich als bewegungsgestört. Er hat entschieden, darf aber nichts darüber sagen. Der Geschäftsführer des Presserates, der Jurist Alexander Warzilek, begründete die Geheimnistuerei damit, dass sich die Zeitung "Österreich" den Grundsätzen des Presserates gar nicht unterworfen habe, weshalb jetzt kein "ordentliches" Verfahren möglich gewesen sei.
Leider wird es auch manche "ordentliche" Verfahren geben, bei denen der Presserat wie eine vatikanische Geheimkammer verfahren wird. Nach Auskunft Warzileks, der sich als Geschäftsführer an die Statuten halten muss, ist die Veröffentlichung nur möglich, wenn sich Beschwerdeführer und beschuldigte Medien damit einverstanden erklären.
Es wird also von den einzelnen Zeitungen abhängen, ob sie mutig genug sind, sich der Öffentlichkeit stellen. Die "Wiener Zeitung" beispielsweise hat sich laut Warzilek bereits den Regeln des Presserats unterstellt, und zwar bedingungslos. Andere tun es auch. Einige Zeitungen sind noch beim Überlegen, einige behalten sich vor, von Fall zu Fall prüfen, ob ein Verfahren öffentlich gemacht wird.
Das ist ein schweres Handikap, das die geistig-juristischen Eltern des Presserates ihrem Kind aufhalsen. Der Verband österreichischer Zeitungen (VÖZ) und die Journalistengewerkschaft (GPA-DJP) als Hauptakteure des "Trägervereins" haben um einen Kompromiss gerungen, der nun darin besteht, dass es den Presserat zwar geben darf, dass er aber keinesfalls unangenehm bei denen auffällt, für deren Kontrolle er zuständig sein sollte. Im Presserat sind sehr prominente, jedenfalls aber integre Journalisten am Werk. Sie haben die Alternative, entweder eine Lockerung der Maulkorbklauseln zu erreichen oder mit dem Presserat in der juristischen Hochbürokratie seiner Verfahrensordnung zu versinken.
Denn die Hauptaufgabe dieser Institution wäre neben Schlichtungsversuchen eindeutig die, Verstöße gegen den "Ehrenkodex" für journalistische Arbeit begründet zu rügen und somit allen Journalisten wertvolle Fingerzeige für ihre verantwortliche Arbeit zu liefern und zugleich dem breiten Publikum der Mediennutzer zu signalisieren, dass sie den Medien vertrauen dürfen, nicht zuletzt, weil es einen engagierten Presserat gibt.
Das lässt sich nicht hinter Polstertüren abwickeln, schon gar nicht in der Kommunikationsbranche, die sonst immer für Transparenz kämpft.
Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Journalist für "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger Nachrichten".