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Ein Prinzip auf dem Abstellgleis

Von Wolfgang Tucek, Brüssel

Europaarchiv

Das Europäische Parlament diskutiert heute den ersten Teilbericht der Koordinatorin Evelyne Gebhardt zur Dienstleistungsrichtlinie. Die Berichterstatterin will den Kern des Kommissionsvorschlags, das Herkunftslandprinzip, kippen und setzt stattdessen auf Harmonisierungsdruck.


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Dem Herkunftslandprinzip erteilte die parlamentarische Berichterstatterin Evelyne Gebhardt gestern eine glatte Abfuhr. Die Dienstleistungsrichtlinie an sich sei jedoch wichtig und notwendig. Tatsächlich müsse der freie Dienstleistungsverkehr erleichtert werden, heißt es in dem Bericht der SPD-Europaparlamentarierin, allerdings unter Beibehaltung von hohen Qualitätsstandards. Deshalb habe sie eine konkrete Alternative: Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung. Dies funktioniert schon seit Jahren am Binnenmarkt für Waren.

"Ein interessanter Vorschlag", der "inhaltlich nicht weit weg" vom Herkunftslandprinzip liege, ist es für den österreichischen Wirtschaftsminister Martin Bartenstein. Grundsätzlich dürfe jeder in einem Mitgliedsland niedergelassene Unternehmer seine Dienstleistung dann EU-weit anbieten, erklärte Gebhardt, nur müsse er eben die Mindeststandards des Ziellandes einhalten. Das führt insbesondere auch dazu, dass ein Mitgliedsstaat mit speziellen Standards Dienstleistungen eines Anbieters ablehnen kann.

Weiters solle die Liberalisierung grundsätzlich nur etwa 30 Branchen treffen, die im Anhang des Vorschlags angeführt sind. Darunter sind Computerdienstleistungen oder Unternehmensberatungen, aber auch Gebäudereinigungen oder Teile des Baugewerbes. Dies sei ein "europäischer Ansatz", erklärte Gebhardt, da er einen Harmonisierungsdruck erzeuge. So solle die EU-Kommission für alle Wirtschaftszweige, die liberalisiert werden, innerhalb von fünf Jahren Vorschläge für einheitliche EU-Standards vorlegen.

Allgemeine Dienstleistungen im öffentlichen Interesse und besonders der Gesundheitssektor, audiovisuelle Medien sowie Bildung und Kultur sollen gar nicht von der Richtlinie betroffen sein. Die Vorschläge dürften auf Kritik bei Liberalen und in Teilen des konservativen Lagers stoßen. Gebhardt wolle die Richtlinie in einer Flut neuer Gesetzesanforderungen ersticken, meinte etwa der britische Schattenberichterstatter Malcom Harbour von der EVP. Dem Vernehmen nach dürfte der Bericht in seiner derzeitigen Form im EU-Parlament nicht mehrheitsfähig sein.