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Ein Problem der Verteilung · und der Gentechnik

Von Klaus Blume, Mexiko

Wirtschaft

Nach Meinung von Friedensnobelpreisträger Norman Borlaug gibt es auch im nächsten Jahrhundert genügend Nahrung für alle Menschen. Der Agrarforscher hatte mit der Entwicklung von | Hochleistungssorten und mit verbesserten Anbaumethoden Ländern wie Mexiko, Indien oder Pakistan in den sechziger Jahren geholfen, ihre Weizenproduktion zu verdreifachen. Für seine Verdienste im Kampf | gegen den Hunger erhielt er 1970 den Friedensnobelpreis.


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"Als ich 1914 geboren wurde, zählte die Weltbevölkerung 1,6 Milliarden Menschen, heute sind es sechs Milliarden, und im Jahr 2025 werden es 8,3 Milliarden sein. Ich sage: die Welt kann die

Nahrungsmittel produzieren, die dann gebraucht werden", betont Borlaug. Der Hunger in der Welt sei kein Problem der Nahrungsmenge sondern der Verteilung, ergänzt er in seinem Büro im Internationalen

Zentrum für die Verbesserung von Mais und Weizen bei Mexiko-Stadt.

Mit seinen 85 Jahren absolviert Borlaug ein Arbeitspensum, das manch wesentlich Jüngerem den Atem rauben würde. Er ist nicht nur Berater eines Agrarforschungsinstituts in Mexiko und

Gastprofessor in Texas, sondern reist jedes Jahr auch noch monatelang durch die fünf Kontinente. Ob in Ghana, auf den Philippinen oder in Großbritannien - Borlaug, den das US-Magazin "Time"

kürzlich in die Liste der "100 einflußreichsten Leute des 20. Jahrhunderts" einreihte, ist ein gefragter Gesprächspartner. Schließlich gilt der im US-Staat Iowa geborene Agronom als ein Vater der

"Grünen Revolution".

Der Schlüssel für die Steigerung der Nahrungsproduktion liegt für Borlaug vor allem in einer Verbesserung der Produktivität, da zusätzliche Anbauflächen kaum noch zur Verfügung stünden. Vor

mehr als 40 Jahren hatte der Forscher in seiner Wahlheimat den sogenannten Mexikanerweizen entwickelt, eine besonders ertragreiche Sorte, die im Laufe der Jahre auch auf anderen Kontinenten

angepflanzt wurde. Zu dem, was Borlaug "integriertes Getreidemanagement" nennt, zählt neben der geeigneten Sorte aber ein ganzes Bündel von Maßnahmen wie die richtige zeitliche Planung, der

abgestimmte Einsatz von Dünger und Insektiziden, die korrekte Pflanzungsdichte und das Jäten.

Borlaug befürwortet den Einsatz der Gentechnologie. Neue schädlingsresistente Arten könnten den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und damit auch die Produktionskosten verringern. Mit der

Steigerung der Erträge auf den heute zur Verfügung stehenden Flächen könnten die Naturlandschaften vor weiteren Eingriffen geschützt werden. Der Nobelpreisträger wettert gegen jene

"Extremisten" unter den Ökologen, die den Einsatz von Planzenschutzmitteln oder Kunstdünger ablehnen.

Die Versorgung mit Nahrungsmitteln hat sich nach Ansicht Borlaugs in den vergangenen 50 Jahren insgesamt definitiv verbessert. Es gebe keine großen Hungersnöte in Indien, Pakistan, China oder

Indonesien mehr. Dennoch sieht auch er das Hungerproblem. "In der heutigen Welt gibt es 700 bis 800 Millionen Menschen, die mehr Nahrungsmittel bräuchten, um keinen Hunger zu leiden", sagt Borlaug.

Dies sei aber eine Frage der Kaufkraft. Besonders deutlich werde dies in Indien. Dort gebe es riesige staatliche Getreidelager, aber Millionen von Menschen litten Hunger, weil sie kein Geld hätten,

um sich etwas zu essen zu kaufen. "Die sozialen Ungleichheiten können von der Wissenschaft nicht behoben werden, das müssen die politischen Entscheidungsträger angehen".