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Ein Raucher in der Hofburg

Von Matthias Winterer

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Van der Bellens Nikotinabhängigkeit war im Wahlkampf omnipräsent. Rauchen galt früher als mondän, jetzt als abstoßend und ekelhaft. Ein Wahrnehmungswechsel, der das Solidaritätsprinzip unserer Krankenversicherung aushebeln könnte.


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Alexander Van der Bellen raucht. Das weiß mittlerweile jeder. Seine Nikotinabhängigkeit wurde von den Moderatoren der Late-Night-Show "Willkommen Österreich" Grissemann und Stermann auf´s Korn genommen. Sie wurde von der FPÖ instrumentalisiert und war im Wahlkampf immer wieder Thema. Ab Donnerstag wird Van der Bellen in der Hofburg rauchen. Nur wie?

Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten. Der frisch gebackene Bundespräsident kann sich am Balkon der Hofburg genauso eine Zigarette anstecken wie im sogenannten "Grünen Salon", in dem schon Heinz Fischer hie und da ein Pfeiferl geraucht haben soll.

Was Van der Bellen an seinem Arbeitsplatz tun darf, ist den Österreicherinnen und Österreichern ab Mai 2018 in Gasthäusern und Beiseln verboten. Denn ab dann gilt das neue Rauchergesetz. Es verbietet das Rauchen in allen Lokalen generell. Damit erreicht die Verbannung des Rauchens in der Öffentlichkeit einen ersten – gewiss aber nicht letzten - Höhepunkt.

Kaum etwas erlebte in den vergangenen 20 Jahren einen so abrupten Wahrnehmungswechsel wie der Genuss von Tabak. Galt es im vergangenen Jahrhundert noch als mondän zu rauchen, so haftet der Tschick jetzt etwas Ekelhaftes an. Humphrey Bogart war in den 50ern ohne Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger kaum vorstellbar. Elegant blies er Rauchschwaden in die Luft. Heute muss sich ein rauchender Bundespräsident ständig rechtfertigen. Rauchen gilt als grindig, ekelhaft und abstoßend. Eigentlich muss man Van der Bellen zum Mut gratulieren, mit seiner Sucht offen umzugehen.

Man mag dem geänderten Blick auf die Kultur des Tabakrauchens nun sehen wie man will. Als positive Entwicklung hin zu mehr Lebensqualität und Gesundheit, oder aber als radikale Liquidierung eines Kulturphänomens. Auffällig ist die Gesundheitspanik, die die Diskussion derart vereinnahmt, dass mit ihr gravierende Einschnitte in die politischen Grundsätze unseres Staates gerechtfertigt werden. So werden immer wieder Stimmen laut, die höhere Abgaben von Raucherinnen und Rauchern in das Gesundheitswesen fordern.

Klingt vernünftig, schließlich wird man zum Rauchen nicht gezwungen. Wieso soll also die Allgemeinheit für die Behandlung kranker Raucherinnen und Raucher aufkommen? Ein solches Denken ist der erste Schritt in eine gefährliche Biopolitik. Es begreift Krankheit als etwas Selbstverschuldetes und hebelt das Solidaritätsprinzip unserer Krankenversicherung aus. Denn wo zieht man die Grenze? Müssen dicke Menschen in Zukunft auch mehr zahlen? Niemand zwingt sie, so viel zu essen. Und was ist mit Sportlern? Hätte jemand nicht Fußball gespielt, wäre der Knöchel nicht gebrochen - selber Schuld, bitte auch selber bezahlen. Das Gedankenspiel endet in einem neoliberalen Versicherungssystem, in dem sich die Versicherung den Kunden aussucht und nicht umgekehrt. Nur der "ideale Mensch" wird gut versichert. Jener, der mit der höchsten Wahrscheinlichkeit nie erkrankt.

Bei privaten Versicherungen ist das schon jetzt real. Man zahlt als Raucher, als Sportler, als Übergewichtiger mehr. Doch diese Logik darf sich niemals in unser staatliches System der Krankenversicherung einschleichen. Hier muss Solidarität und Gleichheit gelten.