Mit Itamar Ben-Gvri holt sich der Regierungschef einen einschlägig vorbelasteten Ultrarechten in das Kabinett.
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Jerusalem. "Ich bin nicht Premierminister - noch nicht", verkündete Itamar Ben-Gvir im Anschluss an die Wahl Anfang November seinen Anhängern. Während der Parteichef der "Otzma Jehudit" damit aus seinen Ambitionen keinen Hehl machte, irgendwann als Regierungschef die Geschicke Israels lenken zu wollen, avancierte er unlängst bereits zum Königsmacher. Ohne die Stimmen des Religiös-Zionistischen Bündnisses verliert die Koalition unter Premierminister Benjamin Netanjahu seine Mehrheit.
Vor weniger als zwei Jahren noch wurde der nun mit ministerieller Verantwortung betraute Ben-Gvir von Netanjahu als ungeeignet für Regierungsposten erachtet. Der Sohn irakisch-kurdischer Einwanderer ist Vorsitzender der Nachfolgepartei verbotener rechtsextremistischer Organisationen "Jüdische Stärke" - und der Name ist Programm. Ben-Gvir engagierte sich seit seiner Jugend als Mitglied rechtsradikaler Gruppierungen, machte sich dadurch sogar in Geheimdienstkreisen einen Namen. Die Aufnahme in die Armee als 18-Jähiger wurde ihm untersagt.
In den 90er Jahren war er an vorderster Protestfront gegen den Oslo-Friedensprozess beteiligt und trat mit der vom Auto des damaligen Präsidenten Yitzhak Rabin gestohlenen Kühler-Figur öffentlich in Erscheinung. "Wir sind an seinen Wagen gekommen und werden auch ihn noch erwischen", tat Ben-Gvir seiner Abneigung gegen den Friedensnobelpreisträger kund. Wenige Wochen später starb Rabin durch Schüsse eines rechtsextremen Fanatikers. Zur Einsicht gelang Ben-Gvir jedoch auch mit zunehmendem Alter nicht. 2007 wurde er wegen antiarabischer, rassistischer Hetze und Terrorunterstützung verurteilt. Mehr als 50 Mal soll er laut eigenen Angaben bereits verklagt worden sein. Bezeichnend für den fünffachen Familienvater ist besonders sein Einsatz für extremistische politische Aktivisten.
2015 verteidigte der gelernte Rechtsanwalt, dem man lange die Zulassung zur Anwaltsprüfung verwehrte, den Rechtsextremen Ben-Zion Gophstein, der das Niederbrennen von Kirchen und Klöstern in Israel durch jahrhundertealte jüdische Glaubenslehren rechtfertigte. Beiden gemein ist auch die Bewunderung des Terroristen Barruch Goldstein, dessen Konterfei bis vor wenigen Jahren noch das Wohnzimmer des 46-jährigen Ben-Gvir zierte. Goldstein, ein amerikanisch-israelischer Siedler, verübte 1994 in Hebron ein Massaker an 29 palästinensischen Muslimen. Erst im Oktober trat Ben-Gvir selbst mit einer gezückten Waffe bei Zusammenstößen von Israelis und Palästinensern in Erscheinung. Ben-Gvir, der selbst in Hebron, im besetzten Westjordanland lebt, rief israelische Polizisten dazu auf, das Feuer gegen palästinensische Demonstranten zu eröffnen.
Vermeintliche Mäßigung
Dabei versuchte er jüngst, sich in moderaterem Licht zu präsentieren, mäßigte seine Parolen. "Ich bin erwachsen geworden, habe mich gemildert und habe verstanden, dass das Leben komplexer ist", zitierte die auflagenstarke "Israel Hayom" den designierten Minister für nationale Sicherheit. Amotz Asa-El vom Shalom Hartman Institut in Jerusalem sieht darin eine "Strategie, um sanfter zu erscheinen als das Image, das er ursprünglich kreiert hat".