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"Ein Rechtsstaat bleibt nicht unbedingt ein Rechtsstaat"

Von Katharina Schmidt

Politik

Ruth Klüger beim Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus. | Wien. Sie war zehn Jahre alt, als die Nationalsozialisten sie 1941 von Wien aus ins Konzentrationslager Theresienstadt deportierten. Doch schon damals war Ruth Klüger die "Ungeheuerlichkeit dessen, was in den Lagern vorging, klar", wie die Autorin am Donnerstag beim Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Parlament erklärte. Die Kinder im Konzentrationslager seien hellwach gewesen - "vielleicht nie wieder so hellwach wie damals". Klüger überlebte Theresienstadt, Auschwitz und Groß-Rosen, noch 1945 gelang ihr die Flucht.


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Am Donnerstag warnte sie davor, die systematische Vernichtung der Juden durch die Nazis zu relativieren, indem man sie in eine Reihe mit anderen Verbrechen stellt: "Das Ausmaß des Holocaust sprengt alle Rahmen und Raster", so die Schriftstellerin ("weiter leben"). Die Shoa sei auch nicht erklärbar: "Der Kern der Sache bleibt unbegreiflich." So müssten wir es bei der festen Überzeugung belassen, "dass jetzt alles anders ist". Allerdings: "Ein Rechtsstaat bleibt nicht unbedingt ein Rechtsstaat, und seine Bewohner können ihre Vorstellungen und Absichten jederzeit über einen Haufen werfen und es sich anders überlegen", warnte Klüger.

Prammer warnt vor Hass

Diese Gefahr sprach auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer an. Die Menschenrechte schützten nicht "vor den Versuchen mancher, unter dem Deckmantel der freien Meinung Ausgrenzung zu betreiben und Hass zu schüren". Um die Demokratie und damit die Freiheit des Einzelnen zu schützen, müsse jeder "bereits die Annäherung an jegliches antidemokratische Gedankengut zurückweisen", betonte sie.

Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung im alten Reichsratssitzungssaal, mit der seit 1997 alljährlich der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen am 5. Mai 1945 gedacht wird, von einem Chor der Musikschule Linz. Auch diesmal waren die Spitzen der Republik gekommen: Bundespräsident Heinz Fischer mit seiner Frau Margit, Vertreter der Länder, der Religionsgemeinschaften und Abgeordnete. Der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf (FPÖ) fehlte - er war in Ungarn, hieß es. Auch die Regierung war diesmal nicht komplett: Von SPÖ-Seite waren nur Verteidigungsminister Norbert Darabos, Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, Unterrichtsministerin Claudia Schmied und kurz Sozialminister Rudolf Hundstorfer dabei. Kanzler Werner Faymann und Staatssekretär Josef Ostermayer befinden sich derzeit in China, Staatssekretär Andreas Schieder in den USA.