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Ecuador stimmt über sieben Fragen ab, die das politische Gefüge im Andenstaat empfindlich verändern könnten.
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Quito/Wien. Als der Vize Lenín Moreno seinen Präsidenten Rafael Correa an der Staatsspitze vertreten musste, tat er das nach eigenem Bekunden nicht gerne. "Mir gefällt Macht nicht. Ich bin gerne ein Untergebener", sagte er 2013.
Moreno führte damals die Agenden an der ecuadorianischen Staatsspitze, weil sein Chef, Correa, mit seiner Wiederwahl beschäftigt war. Mit Erfolg. Correa wurde bereits im ersten Wahlgang mit einer breiten Mehrheit von mehr als 57 Prozent wiedergewählt. Später, 2017, durfte Correa nicht mehr kandidieren. Eine dritte konsekutive Amtszeit war gemäß der ecuadorianischen Verfassung noch verboten. Dafür wurde unter Correa 2015 die Verfassung dahin gehend geändert, dass ab 2021 ein Präsident unbegrenzt oft amtieren darf.
Nachdem Moreno in der zweiten Amtsperiode Correas Pause von Regierungsämtern gemacht hatte, trat er plötzlich 2017 als Präsidentschaftskandidat der linken Regierungspartei Alianza Pais an - und kam an die Macht. Allerdings nur knapp. In der Stichwahl erlangte er nur 51 Prozent gegen den konservativen Geschäftsmann Guillermo Lasso.
Doch der Entschluss, sich doch zum mächtigsten Mann im Andenstaat wählen zu lassen, blieb bei weitem nicht die einzige Überraschung, mit der Moreno aufwartete. Kurz nach seiner Wahl distanzierte er sich von seinem Vorgänger und Mentor Correa.
Distanzierung vom Vorgänger
Moreno sei entsetzt darüber, wie viel Korruption in der Regierung Correas geherrscht habe, sowie über die herrschende Verschuldungsquote. Im Oktober schlug er ein Referendum zum Umbau Ecuadors vor. Und kommenden Sonntag stimmt Ecuador über sieben Fragen ab, von denen ein paar reale Auswirkungen auf die Verfassung haben und die restlichen laut Kritikern "zum Versüßen" des Referendums gedacht sind. Also Fragen, auf die kaum jemand mit Nein stimmen würde; zwei davon haben nicht einmal Verfassungsrang und könnten jederzeit mit Dekreten beschlossen werden.
Die erste Frage ist der Bekämpfung der Korruption geschuldet: Ecuadors Bürger sollen entscheiden, ob ein Politiker, der der Korruption für schuldig befunden wurde, für immer von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen sein soll. Bei dieser Frage sind sich Experten nicht einig, ob dieses Gesetz auch rückwirkend angewendet werden könnte. Das beträfe diesfalls wahrscheinlich viele frühere Mitstreiter in der Regierung Correas. Im Dezember hat etwa die ecuadorianische NGO "Anti-Korruptions-Kommission" festgestellt, dass dem ecuadorianischen Staat in den vergangenen zehn Jahren ein Schaden von rund 35 Milliarden Dollar entstanden ist - in Form von Schmiergeldzahlungen, erhöhten Preisen bei Vergaben und Steuerhinterziehung. Das entspricht rund 30 Prozent der Wirtschaftsleistung Ecuadors 2016.
Die zweite Frage bezieht sich auf die Befristung der Amtszeiten. Politiker dürfen nur einmal auf den selben Posten wiedergewählt werden. Wenn diese Verfassungsänderung rückwirkend angewendet werden soll, dann kann Correa doch nicht, wie es offenbar dessen Plan war, 2021 erneut kandidieren. Kein Wunder, dass Correa von einem "Staatsstreich" spricht und vor kurzem aus Protest aus seiner eigenen Partei, der Alianza Pais, ausgetreten ist.
Mit dem dritten Punkt soll der "Rat der Bürgerbeteiligung" ("Consejo de Participación Ciudadana y Control Social") umgebaut werden. Dieses Gremium, das unter Correa erschaffen worden ist, dient als Kontrollorgan, und zollt in einer Zusammensetzung dem indigenen Erbe des Landes Respekt - in Zusammensetzung sowie Organisation. "Der Rat wird auch die fünfte Macht im Staat genannt", erzählt der Lateinamerika-Experte Tobias Boos, der gerade als Gastforscher an der ecuadorianischen Universität Flacso tätig ist. Diese Frage der Neustrukturierung der Bürgerbeteiligung sieht vor, dass die bestehenden sieben Mitglieder des Rates abgesetzt werden und der Präsident schließlich neue Vorschläge für Personalia machen kann. Wer das sein könnte, darauf wird nicht eingegangen, erzählt Boos.
"Blindes Vertrauen abverlangt"
"Da heißt es immer wieder: Man müsse Moreno einfach vertrauen. Und dieses blinde Vertrauen, das hier abverlangt wird, ist auch die zentrale Kritik an dem Referendum", sagt Boos.
Die restlichen Fragen sind einfacher: Da geht es um die Nicht-Verjährung von Sexualdelikten gegen Minderjährige. Um das Verbot des Bergbaus in Naturschutzgebieten. Und die letzte Frage stellt die Verkleinerung des Ölfördergebiets im Yasuni-Nationalpark zur Abstimmung. Hier ist die Formulierung aber sehr vage. Und in der Praxis hat sich die Regierung eher bei der Vergabe von Bergbau-Konzessionen hervorgetan als bei Umweltschutz.
Aber es ist die Frage dazwischen, die vorletzte Frage, die noch einmal aufhorchen lässt. Denn die stellt zur Debatte, ob das Gesetz gegen Spekulationen mit Immobilien aufgehoben werden soll. So sollen der ecuadorianische Bausektor und die Wirtschaft angekurbelt werden. Hier macht stutzig, dass der linke Politiker mit seinem konservativen Gegner Guillermo Lasso sowie vielen anderen aus der Wirtschaft für das Referendum wirbt. Dieser überparteiliche Zusammenschluss hat jedenfalls mehr Fans, als die Kampagne von Correa, der für ein "Nein" versucht, Stimmung zu machen. Prognosen zufolge werden alle sieben Fragen des Referendums mit über 70 Prozent angenommen werden.
In Ecuador sehen viele Bürger den Sonntag als "dritten Wahlgang", erzählt Boos. Man werde erst am folgenden Tag sehen, was der eigentliche Plan der Regierung Moreno nun ist.
Eine Hypothese ist, dass Moreno um Versöhnung bemüht ist, und um die Einbindung aller Fraktionen. Correa hat sich in seiner zweiten Amtszeit schließlich immer autoritärer gegeben und hat auch die Führung stark an seiner Person festgemacht.
Eine andere Hypothese ist freilich, dass sich nach dem Referendum ein starker Rechtsruck bemerkbar macht. Hinweise dafür wären eben die Aushebelung der Bürgerbeteiligung, sowie die Freigabe der Immobilienspekulation und die Tatsache, dass Guillermo Lasso von "seinem" Referendum spricht.