Zum Hauptinhalt springen

Ein Rekorddefizit an Gemeinsamkeit und 365 verlorene Tage

Von Matthias Strolz

Gastkommentare
Matthias Strolz ist Klubobmann der Neos.

Reformvorhaben werden als Latte gelegt, um darunter durchzutanzen. Die Regierung wird nur noch vom Drang nach Macht zusammenhalten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Regierung schwingt sich auf ein weiteres Jahr Limbo ein. Reformvorhaben werden als Latte gelegt, um sodann darunter durchzutanzen. Spätestens mit den offenen Feindseligkeiten zwischen Kanzler, Vizekanzler und Finanzminister während der Budgetdebatte zeigt sich, dass diese Regierung nur noch vom gemeinsamen Drang nach Macht zusammenhalten wird. Die Bevölkerung hat nichts davon. Finanzminister Hans Jörg Schelling im Originalzitat letzte Woche: "Wir betreiben eine Politik, wo ständig junktimiert wird. Gefragt wird nicht, was nützt es dem Land, sondern was nützt es der Partei." Diese Selbsteinschätzung aus dem Munde eines Regierungsvertreters finde ich zum (Fremd-)Schämen.

"Jeder Tag ohne Reformen ist ein verlorener Tag." Mit großen Worten verbreitete der Finanzminister vergangenes Jahr noch Hoffnung. Hoffnung auf ein Ende der ewigen Blockade- und Stillstandspolitik. Fünf der größten Baustellen dieses Landes sollten endlich angegangen werden: die Abschaffung der kalten Progression, eine große Bildungsreform, eine mutige Pensionsreform, entschlossener Bürokratieabbau und die Neugestaltung des Finanzausgleichs, dem ewigen Dauerbrenner der Steuergeld-Vernichtung. Starke Worte. Aber eben Dampfplauderei. Nichts davon hat die Regierung im Vorjahr auf den Boden gebracht. Und auf Basis des Budgets 2017 ist zu erwarten, dass sich diese Nullnummer fortsetzt: Die kalte Progression wird den Menschen weiterhin mit steigendem Steuerdruck das Geld aus dem Portemonnaie ziehen; der Finanzausgleich wird zur Tragikomödie, bei der neun Landesfürsten der Republik ein weiteres Mal die Hosen ausziehen; die Bildungsreform verkommt zum Stückwerk und auch im Bildungsbudget 2017 bleiben Streitpunkte über 100 Millionen Euro offen; die Arbeitslosigkeit wird weiter steigen, weil der Unternehmergeist in diesem Land ungebrochen von Bürokratie und Kammern drangsaliert wird; und bei der Pensionsreform verunglückt sogar das Mini-Vorhaben aus dem vergangenen Februar. Das Budget 2017 ist in Zahlen gegossene Mutlosigkeit. Die Budgetrede war ein Wust an blumigen Worten, doch ändert nichts an der beklemmenden Tatsache: Der Abstieg Österreichs in die Mittelmäßigkeit setzt sich fort. Wir werden um die Jahreswende erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik eine halbe Million Arbeitslose zählen. Österreich ist innerhalb von drei Jahren von Platz 1 in der EU-Statistik auf Platz 10 abgerutscht und wird weiter nach hinten durchgereicht. Gleichzeitig präsentiert Deutschland die besten Zahlen seit 1991. Es sind also viele Probleme hausgemacht; von dieser Regierung angerichtet. Die letzte Woche war nur ein weiterer Höhepunkt in diesem Trauerspiel. Die Koalitionspartner bekämpfen sich wechselseitig mit untergriffigen Breitseiten. Österreich beobachtet betreten ein Rekorddefizit an Gemeinsamkeit. Diese zwei Parteien regieren gegeneinander. Und gegen die Bevölkerung, denn die großen Gestaltungsherausforderungen bleiben auf der Strecke. Daher ist klar: Nie mehr große Koalition. Das Machtkartell muss weg. Es hat große Verdienste; aber es schadet heute diesem Land und den Menschen.