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Ein Remis im Rückspiel

Von Simon Rosner

Analysen
Christian Kern und Matthias Strolz blieben meist auf sachlicher Ebene.

Die Debatte zwischen Kanzler Kern und Neos-Chef Strolz blieb im ORF sachlich, eine Annäherung aber aus.


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Wien. Im Fußball ist es gute, alte Tradition, wichtige Begegnungen in Hin- und Retourspielen auszutragen. In der politischen Auseinandersetzung ist dieses Format eher neu. Wirklich beabsichtigt ist das freilich nicht, sondern Ergebnis symbiotischer Bedürfnisse. Fernsehanstalten wollen Quotenrenner, wie es Politik-Duelle nach wie vor sind, und Spitzenkandidaten wollen ins Fernsehen mit seinen vielen Zuschauern.

Dass Kanzler Christian Kern und Neos-Chef Matthias Strolz einander am Donnerstag zum zweiten Mal innerhalb von vier Tagen gegenüber saßen, hatte jedenfalls etwas von einem Rückspiel. Am Montag waren die beiden nämlich auf Puls 4 aufeinandergetroffen, und dabei hatte es dann auch ordentlich geklescht. Es war ein scheinbar ungeplant hitziges, teilweise sogar untergriffiges Duell, in das beide irgendwie hineinschlitterten. Insofern war es spannend, wie es Kern und Strolz mit einigen Tagen Pause dazwischen im ORF anlegen.

Nun, ein offener Schlagabtausch war es nicht, vielmehr das Gegenteil des giftigen Hin- und Hers vom Montag. Mag sein, dass es auch am Kunstgriff von Moderatorin Claudia Reiterer zum Einstieg lag, die beide fragte, wie hoch das gegenseitige Vertrauen ist (es ist hoch!). Oder am thematischen Block zu Beginn der Konfrontation, der sich um Steuern drehte. Das ist zwar ein wichtiges Thema für beide Parteien und ihre potenziellen Wählerinnen und Wähler, und auch ein Thema, bei dem die Unterschiede zwischen SPÖ und Neos offenkundig sind. Doch es kann bei Steuerfragen schnell sehr technisch werden - und so kam es auch.

"Kalte Progression", "Entlastung bei Inflationssteigerung", Kapitalertragssteuer", "Dividenden", "Erbschaftssteuer". . . Rein vom Unterhaltungswert, der bei einer TV-Sendung nun einmal doch auch von Relevanz ist, war das erste Drittel etwas gar nüchtern gehalten.

Man kann es freilich auch als sachlichen Austausch werten, als eine gute, zivilisierte Debatte zweier Politiker, die glaubhaft ein echtes Interesse an der Diskussion entwickelten. Doch wie bereits oben erwähnt, sind diese Wahl-Duelle eben TV-Sendungen und keine Ausschuss-Sitzungen.

Es wirkte daher eher aufgesetzt, wenn die zwei versuchten, ihre Wahl-Botschaften anzubringen. Kern verknüpfte die steuerpolitischen Konzepte mit dem Aspekt der Gerechtigkeit, Strolz beklagte die Belastung für Mensch und Unternehmen in Österreich. Das ist natürlich in den Konfrontationen ein Muss für alle Kandidaten, wirkt in einer Sachdebatte wie am Donnerstag dann aber wieder störend. Ein Dilemma.

Lebhafter wurde die Debatte dann in der zweiten Hälfte, als beide die Unterschiede zueinander herausarbeiteten. Vor allem als es um die von der SPÖ geforderte Miet-Grenze ging. Das ist zwar primär ein Wien-Thema, doch dieses Bundesland ist für beide Parteien am 15. Oktober von wesentlicher Bedeutung.

Strolz verglich den Ruf nach staatlicher Preisfestlegung im Wohnbereich - zu einem Basis-Zins soll es Zu- und Abschläge geben - mit der DDR und dem heutigen Venezuela. "Wohnen ist ein knappes Gut, der Markt hat es nicht geregelt", antwortete Kern.

Dass die SPÖ in der Löwelstraße einen Uralt-Mietvertrag hat und einen entsprechend geringen Quadratmeterpreis zahlt - Strolz zückte dabei ein Taferl - war zwar einerseits eine Art aufgelegter Elfer für den Neos-Chef, anderseits aber eben auch nicht neu. Das Thema war schon vor Monaten breit thematisiert worden.

Immerhin gab Strolz in der zweiten Hälfte dann doch den kämpferischen Oppositionspolitiker, Kern den ruhigen Kanzler, bis zum Ende blieb die Diskussion aber dennoch recht sachlich. Nach dem Offensivreigen am Montag quasi nun ein Remis mit wenig Torszenen.