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Boliviens Präsident verstaatlicht Bodenschätze. | Bolivien dürfte genug haben von der Abhängigkeit von ausländischen Unternehmen. "Wir bitten die (Erdgas-)Firmen, die Würde der Bolivianer zu respektieren, sonst werden wir sie zwingen, uns zu respektieren." Harte Worte von Evo Morales bei der Verstaatlichung der bolivianischen Erdgasindustrie. Denen ließ der bolivianische Präsident auch Taten folgen: Er wies die Armee an, die in ausländischer Hand befindlichen Erdgasfelder zu besetzen.
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Eine deutliche und harte Aktion, die wohl manch einem Investor Angst einjagen wird. Morales löst mit der Verstaatlichung nicht nur ein Wahlversprechen ein, er verfolgt auch eine Neuorientierung des Landes, weg von den "ausländischen Ausbeutern", wie er sie gerne nennt.
Kurz zuvor hatte Bolivien mit seinen sozialistischen Verbündeten Venezuela und Kuba das Freihandelsbündnis Alba geschlossen. Das Abkommen richtet sich gegen die FTAA, eine von den US-Präsidenten Bush Senior und Bush Junior betriebene Freihandelszone von Alaska bis Feuerland. Sie sollte US-amerikanischen Produkten neue Märkte öffnen und Arbeitsplätze in den USA schaffen.
Viele Experten glauben, dass diese Anti-USA-Haltung die Chance für Europa sei, sich auf dem Kontinent breitzumachen. Genährt wurde diese Vorstellung dadurch, dass Venezuela seine Dollar-Reserven in Euro gewechselt hat. Die letzten Tage haben für die latinophilen Europäer aber einen Dämpfer bedeutet. Denn zum einen sind die Hauptförderer des Erdgases mit BP, Total und Repsol europäische Firmen. Zum anderen haben sich die lateinamerikanischen Rohstoff-Riesen Bolivien und Venezuela mit ihrem Alba auch vom Handelsbündnis Mercosur (Brasilien, Argentinien) abgewendet, bei dem Venezuela Mitglied und Bolivien assoziiert ist. Genau mit diesem plant die EU ein Freihandelsabkommen zu etablieren.
Bei solchen Abkommen geht es um Stabilität. Während die USA vornehmlich bilaterale Verträge mit Lateinamerika schließen, bemüht sich die EU um Verträge mit ganzen Staatenbündnissen. Aus gutem Grund: Bringt dieses Vorgehen doch den Vorteil, dass Nationen über ihr eigenes Interesse hinaus zusammenhalten, was wiederum Stabilität für die einzelnen Länder mit sich bringt.
Mit Alba und Verstaatlichung folgt Morales dem Ruf von Venezuelas Präsdient Hugo Chávez. Energiepolitisch dürfte das die Weltgemeinschaft nicht besonders hart treffen. Im weltweiten Vergleich nimmt Bolivien mit seinen Gasvorkommen den 30. Platz ein.
Jedoch läuft das Land mit seinem brachialen Vorgehen Gefahr, die EU abzuschrecken. Die Entwicklung sei nicht günstig für Boliviens wirtschaftlichen Austausch mit Europa, sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Bolivien riskiert also eine Isolation gegenüber den USA und Europa zugleich. Das wiederum könnte das Andenland in eine neue Abhängigkeit stürzen: Die von Venezuela.