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Ein Riss, der kaum noch zu kitten ist

Von Heiner Boberski

Analysen

In Glaubensfragen liegen oft Welten zwischen den Menschen, manchmal sogar zwischen den Angehörigen der gleichen Religionsgemeinschaft. Die Fragen, an denen sich in den letzten Jahrzehnten die Konflikte der Anglikaner entzündeten - Umgang mit Homosexualität, Weiheämter für Frauen -, haben auch andere christliche Konfessionen beschäftigt. Die jeweiligen Kirchenleitungen haben dazu Entscheidungen getroffen. Wie weit alle Amtsträger und Gläubigen diese akzeptieren, bleibt offen. Ob einem diese Fragen so wichtig sind, dass man deswegen die Konfession wechselt oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Vielen Anglikanern sind sie offenbar so wesentlich, dass sie einen Riss in ihrer Gemeinschaft entstehen ließen, der kaum noch zu kitten ist.


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Wenn man sieht, was sich seit der Weihe der ersten Priesterinnen und den ersten Segnungen homosexueller Partnerschaften in der anglikanischen Kirche abspielt, kann man ahnen, was bei ähnlichen Reformen in der römisch-katholischen Kirche passieren würde. Selbst viele jener, die solche Reformen grundsätzlich begrüßen würden, halten einfach die Zeit für noch nicht reif genug.

Für konservative Anglikaner bot sich bisher ein Übertritt zur katholischen Kirche als Alternative zu einem Verbleib in ihrer immer mehr zersplitternden Glaubensgemeinschaft an. Über diesen Schatten vermögen freilich viele, die von Kindheit an "antipapistisch" geprägt waren, nicht zu springen.

Ob ein neues anglikanisches Bündnis, das nicht mehr vom Erzbischof von Canterbury, sondern von Vertretern der Dritten Welt angeführt wird, zur Alternative werden und sich auf die Dauer bewähren kann, bleibt abzuwarten.