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Ein Riss geht durch Hongkong

Von Klaus Huhold

Politik
Chinaflaggen symbolisieren Zustimmung zum neuen Gesetz, gelbe Regenschirme Ablehnung.

Die Führung in Peking setzt klare Grenzen der Demokratie bei der Wahlreform in Hongkong.


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Hongkong/Wien. Unklar ist, ob die Beschuldigung stimmt. Die Hongkonger Behörden untersuchen gerade den Vorwurf eines nicht namentlich genannten Abgeordneten, dass man versucht habe, ihn zu bestechen.

Klar ist, dass es in der Finanzmetropole zuletzt massives Lobbying gab. Vor allem in Richtung der 27 Vertreter des als pandemokratisch bezeichneten oppositionellen Lagers. Denn wenn nur fünf von ihnen die Seite wechseln, dann ist die Zwei-Drittel-Mehrheit im 70-köpfigen Parlament erreicht. Und dann kann ein Wahlgesetz abgesegnet werden, das sich nicht nur die kommunistische Staatsführung in Peking und Hongkongs Regierung wünschen. Sondern auch weite Teile der Finanzelite in der Metropole, die mit Festlandchina glänzende Geschäfte macht und vor allem an Stabilität interessiert ist.

Der Gesetzesvorschlag sieht vor, dass fünf Millionen Wahlberechtigte in Hongkong ab 2017 ihren Verwaltungschef und damit höchsten politischen Repräsentanten der Stadt selbst bestimmen dürfen. Allerdings entscheidet, wer überhaupt zu dieser Wahl antreten darf, dasselbe Komitee, das bisher den Stadtchef ernannt hat. Es besteht aus 1200 Mitgliedern, wird dominiert vom politischen und wirtschaftlichen Establishment und steht den Machthabern in Peking sehr nahe.

Müll wird geworfen

Im Parlament wurde am Mittwoch heftig über die Gesetzesvorlage debattiert, noch diese Woche soll abgestimmt werden. Vorerst sah es so aus, als würden die oppositionellen Abgeordneten den Vorschlag abschmettern. Sie argumentieren, dass von keinen freien Wahlen gesprochen werden kann, wenn nur Kandidaten, die Peking genehm sind, antreten können. "Diese Gesetzesvorlage macht Nonsens aus dem Wort Demokratie", sagte die Abgeordnete Claudia Mo.

Genau so sehen das die Vertreter der vor allem von jungen Leuten und Studenten getragenen Demokratiebewegung, bei der die pandemokratischen Parlamentarier jegliches Ansehen verlieren würden, wenn sie dem nun eingebrachten Vorschlag zustimmen würden. Zehntausende Hongkonger blockierten im vergangenen Jahr fast 80 Tage lange die wichtigsten Straßen im Stadtzentrum, um für freie Wahlen zu demonstrieren. Mit Regenschirmen trotzten die Demonstranten dem Pfefferspray der Sicherheitskräfte, weshalb bald von der "Regenschirm-Revolution" die Rede war.

Seit die ehemalige britische Kolonie 1997 unter der Richtlinie "Ein Land, zwei Systeme" zurück an China ging, ringen die Hongkonger mit Peking und mit sich selbst über ihre künftige politische Ausrichtung. Die Stadt ist tief gepalten. Das zeigte sich am Mittwoch deutlich. Vor dem Parlamentsgebäude hatten sich sowohl teils mit chinesischen Flaggen ausgerüstete Befürworter des neuen Wahlgesetzes als auch mit gelben Regenschirmen ausgestattete Demokratieaktivisten versammelt. Schnell beschimpften sich die beiden Lager, warfen Müll auf die jeweils andere Seite. Absperrungen, die die beiden Gruppen trennten, wurden übersprungen, und es kam zu Raufereien.

Demokraten im Dilemma

In einer von drei Hongkonger Universitäten durchgeführten Umfrage überwogen die Befürworter mit knappem Vorsprung die Gegner des neuen Wahlgesetzes. Allerdings finden sich auch unter den demokratischen Kräften Stimmen, die sich für eine Annahme des nun am Tisch liegenden Vorschlags aussprechen. Sie meinen, dass die Machthaber in Peking derzeit ohnehin nicht zu mehr Konzessionen bereit seien. Besser wäre es demnach, dem Gesetz nun zuzustimmen und Änderungen später nachzuverhandeln. Eine Ablehnung hingegen würde Peking vor den Kopf stoßen. Tatsächlich hat die chinesische Regierung schon angekündigt, dass die Reformen "zu einem Stillstand kommen" würden, wenn das Wahlgesetz abgelehnt wird.

Wenn dies geschieht, bestimmt weiterhin das Peking-freundliche Komitee den Verwaltungschef. Die Demokratiebewegung befindet sich damit in einem Dilemma. Sie lehnt die vorgeschlagene Wahlreform strikt ab - ist aber auch nicht mit dem Status quo einverstanden. Sie wird wohl ihren Kampf fortsetzen. Nur wie sie das machen soll, darüber ist sie sich angeblich selbst im Unklaren. Im Moment sieht es laut Beobachtern danach aus, dass es eine Mischung aus einzelnen Straßenprotesten, Akten des zivilen Ungehorsams und Aufklärungskampagnen werden wird.

Die Bewegung wird einen langen Atem brauchen: Peking ist wohl derzeit tatsächlich nicht zu mehr Konzessionen bereit. Denn die KP weiß: Das Modell Hongkong kann für das restliche China Strahlkraft entwickeln.