Zum Hauptinhalt springen

Ein Riss geht quer durch alle Parlaments-Fraktionen

Von Veronika Gasser, Straßburg

Europaarchiv

Auch einen Tag vor dem Votum des EU-Parlaments zum Türkei-Bericht waren die Fraktionen gespalten. Einig wie selten sind aber die österreichischen Abgeordneten: Fast alle lehnen die Aufnahme des Landes ab. Die Abstimmung des Parlaments ist rechtlich nicht bindend, doch ein wichtiges politisches Signal.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Ein entschiedener Gegner des Türkei-Beitritts ist EVP-Fraktionschef Hans-Gert Pöttering. Er warnte bei seiner Rede im Parlament davor, dass Europa schon mit der letzten Erweiterungsrunde an die Grenzen des Machbaren gestoßen sei, doch mit der Türkei sich zu "Tode erweitern" werde: "Die EU wird nach einem solchen Schritt nicht mehr dieselbe sein." Vom Koordinator der EVP-Position, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, erwartet sich Pöttering, "dass seine Position jener Ursula Stenzels entspricht." Die ÖVP-Parlamentarierin hatte einen Abänderungsantrag gestellt, wonach für die Türkei andere Möglichkeiten als Vollbeitritt geschaffen werden sollen. Doch Pöttering weiß, dass er mit seiner Position nicht die Mehrheit sondern maximal die Hälfte seiner Fraktion vertritt.

Die österreichischen Abgeordneten hingegen lehnen fast geschlossen einen Beitritt ab. Hannes Swoboda ist mit seiner positiven Haltung zwar auf SPE-Linie, doch weit entfernt von seinen SPÖ-Kollegen. Als Einzelkämpfer erweist sich auch Johannes Voggenhuber, denn die Mehrheit der Grünen befürwortet eine Aufnahme der Türkei. Voggenhuber aber spricht vom "Ende der Einheit Europas" sollte das Land Mitglied werden: "Die Akzeptanz unter der Bevölkerung ist zu gering." Und eine Mitgliedschaft mit vielen Ausnahmeregeln sei nichts anderes als eine "Scheinpartnerschaft, welche Missverständnisse erzeugt". Da sei es viel ehrlicher, es beim Status quo zu belassen. Voggenhuber geht davon aus, dass die Türkei-Frage vor allem jenen in die Hände spielt, die die EU zu Fall bringen wollen. "Das sind die Briten, die Spanier, die Polen und die Skandinavier." Sie alle hätten kein Interesse daran, dass sich die Union vom Staatenverbund zu einem Bundesstaat entwickelt. Diese Idee wäre nach einem Türkei-Beitritt "für immer zerschlagen", erklärt Voggenhuber im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Die Türkei wird damit zum Fallbeil Europas."

Optimistischer sehen dies die meisten Sozialdemokraten. Für ihren Fraktionschef Martin Schulz wäre die Türkei-Integration ein enormer Beitrag zur Sicherung des Friedens. Außerdem könne ein islamischer Staat beweisen, dass er westliche Werte übernimmt.