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Vor zwei Jahren entging die SPÖ noch ihrem historisch schlechtesten Nationalratswahlergebnis - auf Kosten der Grünen. | Unter Pamela Rendi-Wagner rutscht sie nun endgültig unter das bisherige Tief von Ex-Kanzler Werner Faymann.
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Gefühlt ist es so ähnlich schon vor fast zwei Jahren passiert. Aber diesmal passierte es wirklich. Die SPÖ fuhr ihr schlechtestes Nationalratswahlergebnis der Parteigeschichte ein und rutschte unter das bisherige Tief von 26,82 Prozent aus dem Jahr 2013, das auf die Kappe von Ex-Kanzler Werner Faymann ging. Vier Jahre später hätte dessen Nachfolger Christian Kern dieses unterboten, profitierte aber vom Grünen-Rausflug. Die jetzige Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner stellte am Sonntag nach Hochrechnungen des Abends mit 21,7 Prozent den roten Negativrekord auf. Das ist ein Minus von rund fünf Prozentpunkten und elf Mandaten - eine schwere Niederlage. Knallen dürfte es auch in der roten Hochburg Wien: Bis Redaktionsschluss kündigte sich dort ein dickes Minus von mehr als fünfeinhalb Prozentpunkten an.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda sieht das schlechte Abschneiden der SPÖ damit begründet, dass die Klimakrise als Wahlkampfthema den Grünen geholfen hätte. Es werde "keine personellen Konsequenzen geben", aber die SPÖ könne mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein. Rendi-Wagner will trotz Niederlage weitermachen und sagte den bemerkenswerten Satz: "Die Richtung stimmt, wir gehen weiter." Das Ergebnis wird ihr diesen Plan wohl nicht leichter machen.
Welcher Weg ist der richtige?
Rendi-Wagner hatte in diesem Wahlkampf die wenig reizvolle Aufgabe, die absehbare rote Niederlage zu verwalten und so gering wie möglich zu halten. Erst nach und nach fand sie besser in ihre Rolle, obwohl sich während des Wahlkampfs das Gerücht ihrer baldigen Ablöse hartnäckig hielt. Die SPÖ-Frontfrau ist als Quereinsteigerin zu wenig in der Partei verankert, weshalb sich so mancher Genosse immer wieder bemüßigt fühlte, ihr via Medien persönliche Belange ausrichten. Zwei, die regelmäßig aus der roten Reihe tanzen, der Chef der SPÖ Tirol Georg Dornauer und Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, mussten bei dieser Wahl aber beide Niederlagen einstecken. In Tirol verlor die SPÖ mit 7,15 Prozentpunkten sogar mehr als in Wien. Im Burgenland blieb das Minus mit 3,25 Prozentpunkten zwar moderat, die SPÖ rutschte aber hinter die ÖVP auf Platz zwei.
Der Wahlkampf von Rendi-Wagner fand unter völlig anderen Vorzeichen statt als jener von Kern, mit dem die SPÖ als Kanzlerpartei antrat und die Silberstein-Affäre zu schultern hatte, aber es lassen sich einige interessante Parallelen zu jenem Wahlkampf von 2017 ausmachen. Was sich zeigt: Die beiden roten Quereinsteiger sind in ähnlicher Manier gescheitert. Auch vor mehr als zwei Jahren schickte die Sozialdemokratie mit Kern einen von den Gazetten als intelligent, sprachgewandt und im persönlichen Umgang als sympathisch beschriebenen Quereinsteiger-Kandidaten in vorgezogene Nationalratswahlen. Was fehlte, war die größere Erzählung, die gegen Sebastian Kurz‘ harten Migrationsweg ankam.
Dass der damalige Kanzler Kern nicht unter das historische Faymann-Tief rutschte, war unter anderem dem geschuldet, dass viele Grüne Rot wählten, um eine türkis-blaue Koalition zu verhindern. Ein Drittel der Grün-Wähler von 2013 wechselte damals zur SPÖ. Das war bei dieser Wahl radikal umgekehrt.
Auch Rendi-Wagner wurde von Beobachtern ihrer Wahlkampftour als sympathisch beschrieben wie Kern einst. Rendi-Wagner griff in den vergangenen Wochen wie ihr Vorgänger auf ihre persönliche Lebensgeschichte als Arbeiterkind und ihren gelungenen Aufstieg zurück. In den Wahlkampf-Videos der beiden Spitzenkandidaten durfte Bruno Kreisky als Nostalgie-Trophäe nicht fehlen. Selbst das Wahlkampffinale von Rendi-Wagner erinnerte an Kern. Wie er wurde die Medizinerin in den letzten TV-Duellen angriffiger und pointierter - freilich gegen Kurz, den sie einen "Parlamentsflüchtling" nannte. Im Gegensatz zu Kern, der zumindest kurz auf eine Rückkehr ins Kanzleramt hoffen konnte, war Rendi-Wagner von Anfang an chancenlos. Dieses Dilemma hat nicht nur mit ihr zu tun.
Die fehlende Erzählung
Wofür stand die SPÖ in den Wahlkampf-Wochen seit der Ibiza-Affäre? Für viele Wähler war sie offensichtlich kein wirkliches Angebot. Von der Ibiza-Affäre konnte die SPÖ nicht profitieren. Ende Mai bei der EU-Wahl verloren die Roten bereits zwar nicht einmal einen Prozentpunkt gegenüber 2014, hätten aber ein besseres Ergebnis erwartet. Nach dem gemeinsam mit FPÖ und Liste Jetzt initiierten Misstrauensantrag gegen Kurz kam keine größere rote Erzählung, kein eigenes Thema.
Rendi-Wagner forderte einen Mindestlohn von 1700 Euro und setzte sich für leistbares Wohnen und eine bessere Gesundheitsversorgung ein. Bis auf die Höhe des Mindestlohns, die FPÖ fordert 1500 Euro, hätte das von allen Parteien stammen können. Der SPÖ scheint es auch weiterhin schwerzufallen, mit ihrer Ausrichtung ihre klassische Wählerklientel zu erreichen und etwa frühere SPÖ-Wähler von der FPÖ zurückzuholen. Schon Kern schien dafür nicht der geeignete Kandidat. Dasselbe dürfte auf Rendi-Wagner zutreffen.