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Die Hochzeit von Harry und Meghan verknüpft als emotionales Band die Briten mit ihrem Königshaus.
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London. Vorhang auf zur World-Wide-Windsor-Show: In den engen Gässchen um Windsor Castle werden sich am Samstag 100.000 Menschen drängen, die Hochzeit von Harry und Meghan verfolgen und die Royals hochleben lassen. Und mehr als hundert Millionen Menschen, schätzt man, wollen die Zeremonie, bei der sich Windsor-Prinz und seine amerikanische Braut das Ja-Wort geben, an Bildschirmen rund um die Erde verfolgen.
Das kann diese Monarchie noch, die die letzte wahrhaft große der Welt ist, wie in alten Zeiten: eine Festivität mit Pomp und Glorie veranstalten, globale Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Die Hauptakteure, vor allem die Braut - deren Vater wegen einer Herz-OP nun endgültig absagen musste - geben dabei der Veranstaltung besonderen Reiz. Der transatlantische Charakter eines Eheschlusses, der sich um kein Rassen-Tabu mehr kümmert, sorgt für Extra-Interesse. Und Hollywood lässt grüßen: Was will die Krone mehr?
Schon die Hochzeit Prinz Williams und Kate Middletons vor sieben Jahren und die Geburt ihrer drei Kinder seither haben ja der britischen Monarchie einen neuen Fokus gegeben. Als folgten die Royals einem cleveren Plan, haben sie nach und nach ihre Angebotspalette erweitert.
Mittlerweile hat das Haus Windsor "Personal" für jeden Bedarf, für jeden denkbaren Anspruch. Die älteren Generationen erfüllen, zusammen mit der Queen, die Erwartungen der Traditionalisten im Lande, der monarchistischen Stammkundschaft.
William und Kate wiederum kommen jener mittelständischen Bevölkerungsgruppe entgegen, der schon mal ein jüngeres Team recht wäre - und die doch zugleich festhält an konventioneller Rollenverteilung und angestammten Familienverhältnissen, an maßvoller Reform.
Harry und Meghan dagegen stehen für Wandel. Sie machen es einem republikanischen Blatt wie dem Londoner "Guardian" schwer, den Anachronismus der Institution zu bespötteln. Sie bedienen Großbritanniens Jugend, den "millenial market".
Vor allem beginnt die Monarchie mit Harry und Meghan eine gewisse Bereitschaft zur Reform ihrer selbst zu demonstrieren. Ob sich der gute Wille in die Tat umsetzen lässt, bleibt natürlich abzuwarten. Skepsis ist angebracht. Die "Firma" mit ihren ehernen Regeln mag sich als stärker erweisen als der Wunsch nach Veränderung, nach etwas frischem Luftzug durch muffige Gemächer. Und den unbarmherzigen Methoden mächtiger Medien und Munkelmaschinen mag auf Dauer selbst eine erfahrene Schauspielerin nicht gewachsen sein.
Auch weiß natürlich niemand, ob dieser Bund fürs Leben von Bestand sein wird. Drei der vier Kinder der Queen, darunter Thronfolger Charles, haben ihre Ehen über die Jahre scheitern sehen. Auch Meghans erste Ehe, drüben in den Staaten, ist zu Bruch gegangen. Aber wer will schon sagen, dass dieser neue Anlauf zweier Hoffnungsvoller keine Chance hat? Zufall ist es jedenfalls nicht, dass sich nun so viel Hoffnung auf William, Harry, Kate und Meghan richtet - auf die "Fab Four", wie die Presse in Großbritannien sie nennt.
Der unbeliebte Thronfolger
Mit 92 Jahren sieht sich Elizabeth II. endgültig gezwungen, es ruhiger anzugehen zu lassen und ihr Arbeitspensum einzuschränken. Philip, ihr Mann, ist sogar 97, und sein Gesundheitszustand ist nicht der beste. So beunruhigend der Gedanke für viele Royalisten ist, so wissen doch alle, dass auch die lange "elisabethanische Ära" nicht ewig währen kann.
Sobald aber Charles den Thron besteigt, droht dem Königtum ein Einbruch der Popularität - daran besteht wenig Zweifel. Der Thronfolger und dessen zweite Frau Camilla sind denkbar unbeliebt. Schon heute hätten die meisten Royalisten lieber William, Charles Ältesten, als nächsten König: Was natürlich, in der Logik der Monarchie, nicht geht.
Nervosität macht sich wohl auch breit, weil das Vereinigte Königreich im aktuellen Brexit-Chaos in eine Identitätskrise geraten ist. Die Zukunft Britanniens, die Rolle des Landes in Europa und in der Welt ist sehr ungewiss geworden. Die Kontinuität, die die Krone symbolisiert, steht in scharfem Kontrast zu den extremen Irrungen und Wirrungen, die die Politik der Insel dieser Tage durchläuft.
Bemerkenswert ist jedenfalls schon, wie still es um die Anti-Monarchisten in jüngsten Jahren geworden ist. Zu Zeiten der Sex Pistols oder des Diana-Dramas war die republikanische Bewegung noch fester Bestandteil britischer Kultur.
Nun wollen, dank Elizabeth und den "Fab Four", wieder 80 Prozent aller Briten die Monarchie um jeden Preis erhalten. Solange ein emotionales Band Krone und Bevölkerung verknüpft und die jüngeren Windsors sich relevant zu geben wissen, schläft die Queen sorglos unterm blauen Baldachin.