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Gastronom Heinz Pollischansky will mit "WWW - Wir wollen Wahlfreiheit" direkte Demokratie in die Stadtverfassung bringen.
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Wien. "Manche Politiker haben ein Rückgrat wie ein Gummiringerl", ärgert sich Heinz Pollischansky. Der Gastronom und Chef der "Centimeter"-Lokale erinnert sich daran, wie seitens der Politik und der Wirtschaftskammer erst Zuspruch für eine Beibehaltung separater Raucherbereiche in Lokalen kam und schlussendlich dann dagegen gestimmt wurde. "Ich habe damals 350.000 Unterschriften für eine Beibehaltung gesammelt, das wurde ignoriert", betont er. Das habe ihn dazu bewogen, sich politisch zu engagieren - die Wahlinitiative "WWW - Wir wollen Wahlfreiheit" wurde gegründet.
Sechs Monate Vorlaufzeit für Diskussion aller Themen
Heinz Pollischansky hat die Liste aber nicht als Raucherpartei konzipiert. Ihr Hauptthema ist die Verankerung der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild in der Verfassung. Es sollen alle Themen zur Wahl freigegeben werden, die ein bestimmtes Interesse erreichen. Für Wien wären dies beispielsweise 25.000 oder 100.000 bestätigte Unterschriften oder zehn Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung - eine genaue Grenze ist laut Pollischansky noch auszuverhandeln.
Über die gesammelten Anliegen soll einmal im Jahr gemeinsam an einem fixen Termin abgestimmt werden. "Das hilft gegen Verdrossenheit und das Gefühl, ohnehin nichts ausrichten zu können, weil sich ja nichts ändert. Mit unserem System würde sich etwas ändern", ist er überzeugt.
Neben ihrer Vorbildwirkung gibt die Schweiz aber auch Beispiele, wie direkte Demokratie zum Werkzeug werden kann. Bei Abstimmungen zu sensiblen Themen wie einem Bauverbot für Moscheen oder einem Zuwanderungsstopp schürte die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP) gezielt Ängste und konnte die Bürger auf ihre Seite ziehen - wenn auch nur knapp. "Angstmacherei wird es immer geben", meint Pollischansky dazu. "Jede Seite versucht, ihren Standpunkt mit allen Mitteln durchzusetzen. Die einen spielen fair, die anderen unfair. Dass sich alle fair verhalten, kann man nicht erreichen."
Daher sollen alle Themen mit einer Vorlaufzeit von mindestens sechs Monaten öffentlich diskutiert werden. "So können alle Beteiligten ihre Standpunkte erklären und das Volk kann sich ein Bild machen. Auch die Medien können dann genug Aufklärungsarbeit leisten. Immerhin soll doch das Demokratie sein - dass derjenige mit den besseren Argumenten am wahrscheinlichsten gewinnt."
Abstimmungen sollen auch wiederholt werden können. "Die Bevölkerungsmeinung kann sich ja auch ändern. Sollte beispielsweise über die Rauchertrennung entschieden werden und man behält sie bei, haben die Gegner nach ein paar Jahren eine neue Chance und bekommen dann vielleicht eine Mehrheit. Da hätten dann auch die Gastronomen genug Zeit, sich zu erholen." Die Länge des Zeitraums vor einer neuen Abstimmung kommt auf die Art der Abstimmung an. "Sollte jemals über EU-Gesetze abgestimmt werden, kann man das nicht schon nach zehn Jahren neu machen, da hängt ja viel mehr dran", meint Pollischansky.
Abstimmung über Flüchtlinge ohne Registrierung
Der Gastronom würde vieles gerne zur Abstimmung bringen, nicht nur das Rauchergesetz, beispielsweise auch die Legalisierung von Marihuana. "Dann wäre dieses leidige Thema endlich vom Tisch." Auch die Flüchtlingskrise stünde bei ihm am Stimmzettel. "Aber mir geht es nicht darum, abzustimmen, ob wir jemand aufnehmen. Wir müssen die aufnehmen, die wirklich Hilfe brauchen, das ist klar", betont er. Es gehe ihm vor allem darum, ob Flüchtlinge ohne Registrierung und Gesundheitspass einreisen dürften oder nicht. "Da hätte man ganz schnell und ohne großen Aufwand erheben können", ist er überzeugt. "Wenn die Bevölkerung selbst entscheidet, wird ihr auch einiges an Angst genommen."
Für Pollischansky könnte so eine Vielzahl an öffentlich diskutierten Anliegen schnell abgehandelt werden. "Es gibt immer einen goldenen Mittelweg und ich bin überzeugt, dass die Bürger den am besten finden können." Daher hat das Bündnis auch kein durchstrukturiertes Parteiprogramm, man sei ganz auf die Verankerung der direkten Demokratie in der Verfassung ausgerichtet. "Wir sind auch die einzige Partei, die nach ihrer Zielerreichung in dieser Form nicht mehr fortbestehen wird. Wir wollen dann aber als Beratungsplattform für Bürger weitermachen", ergänzt Pollischansky.
"Es tut mir immer weh, wenn eine Partei eine gute Idee hat und die anderen lehnen sie mit einem ,Das ist schlecht, weil das ist von dir ab", ärgert sich Pollischansky. "Man sollte nicht nach Farben, sondern nach Inhalten wählen." Der Gastronom steht der Zusammenarbeit mit allen Parteien offen gegenüber, solange sie sich der Etablierung der direkten Demokratie verschreiben. Das bedeutet auch ein potenzielles Koalitionsangebot an die FPÖ. Denn die Freiheitlichen rufen immer wieder nach direkter Demokratie - besonders, wenn die SVP damit wieder mal ein Thema durchbringt, das auf der blauen Agenda steht.
Könnte Pollischanskys Liste so zum Steigbügelhalter für die FPÖ werden, wie man es den Grünen in der Stadtregierung immer wieder vorgeworfen hat? Pollischansky sind reine Lippenbekenntnisse aber zu wenig. "Bei der FPÖ ist unser Hauptthema nur ein Thema von vielen. Ohne die Zusicherung, dass die direkte Demokratie fix im Gesetz verankert wird, denken wir nicht mal über eine Koalition nach. Das gilt für alle Parteien." Der "Centimeter"-Chef betont auch, dass sich die Bevölkerung mit diesem Mitbestimmungsrecht für viele Jahre absichere. "Wenn nach den Wahlen eine Partei alleine regiert, wird unser Anliegen noch bedeutender. Weil, wenn uns diese Mitbestimmungs- und Kontrollmöglichkeit fehlt, könnte die Siegerpartei mit uns machen, was sie will. Auch die Opposition hat so mehr Chancen, etwas zu ändern", gibt Pollischansky zu bedenken.
Neben direkter Demokratie gibt es im Bündnis ein weiteres gemeinsames Anliegen: "Politiker sollen wie in der Schweiz ihre Funktion nur neben einer ,regulären‘ Arbeit bekleiden. Dann haben sie nach ihrer Politikkarriere auch noch etwas, zu dem sie zurückkönnen, und müssen von der Partei nicht in irgendein Amt gesteckt werden, um weiterhin Gehalt zu beziehen", meint Heinz Pollischansky.
Er spielt damit auf das Schweizer Milizsystem an. Dort agieren die Mitglieder der beiden Kammern des schweizerischen Parlaments und der Kantons- und Gemeindeparlamente nebenberuflich. Dies würde mehr Pragmatismus in die Politik bringen, meint Pollischansky. Dass durch das Milizsystem Interessenskonflikte bei Politikern gefördert werden, wie oft kritisiert wird, glaubt er jedoch nicht.