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Ein Schadensfall und seine Folgen

Von Simon Rosner

Politik
Was tun, wenn auf einmal ein Schadensfall hohe Kosten verursacht? Die Regierung muss sich durch die Hypo dieser Frage stellen.
© Ros

Hypo-Desaster verschärft ein Problem, das die Regierung ohnehin bereits hat.


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Wien. Auf einmal ist es da, das Hochwasser, und der Familie steht buchstäblich das Wasser bis zum Hals. So ist es ja auch im Vorjahr entlang der Donau passiert. Auf einmal ist ein Schaden da, der schnell repariert werden muss. Gut, wenn man für solche Fälle etwas zur Seite gelegt hat. Schlecht, wenn man eh schon viele Kredite laufen hat und jedes Jahr mehr ausgibt, als man einnimmt. So wie der österreichische Staat.

Im übertragenen Sinn geht es Österreich nun wie Hauseigentümern, die von einem Hochwasser betroffenen sind, auch wenn die Hypo-Pleite alles, nur kein Akt höherer Gewalt war. Doch dieser Vergleich lässt sich ziehen, wie der Ökonom Ulrich Schuh vom Forschungsinstitut EcoAustria erklärt: "Es ist keine Belastung, die dauerhaft ist, aber es gibt einen Schaden, und der muss ersetzt werden. Und das verursacht Lasten."

Wie schwer diese Lasten sein werden, lässt sich nicht seriös prognostizieren. 12 Milliarden? Oder 10? Oder 7? Genauso unklar ist, wie die Regierung genau versuchen wird, den Schaden zu reparieren und ob die von der Hypo-Taskforce vorgeschlagene Abbaugesellschaft tatsächlich die günstigste aller Lösungen ist. Über all das wird wohl erst in Jahren die (bittere) Realität richten.

In dieser verwirrenden, durch viele Handlungsstränge verästelten Geschichte gibt es nur eine Gewissheit: "Die Last wird beim Steuerzahler liegen", sagt Schuh. Das unterscheidet dann den Schadensfall Hypo Alpe Adria doch signifikant von einem durch ein Hochwasser entstandenen.

Die deshalb entstandenen, einmaligen Kosten haben aber da wie dort keinen Einfluss auf die strukturellen Ausgaben eines Haushalts. Das Hypo-Desaster wird weder die jährlichen Sozialausgaben noch wird es Subventionen berühren, nur die Zinsrückzahlungen würden steigen, wenn man neue Kredite aufnimmt. "Aber das berührt die laufenden Kosten nur marginal", sagt Schuh.

Sparen für einen Puffer

Er erwartet daher nicht, dass die Hypo-Abwicklung das für 2016 angepeilte strukturelle Nulldefizit, das um Konjunktur- und Einmaleffekte bereinigt ist, gefährdet. Eben diese ausgeglichene Haushaltsführung, die die Europäische Union von ihren Mitgliedern, und damit auch von Österreich verlangt, soll die Staaten künftig für derartige, ungeplante Schadensfälle rüsten. "Es gibt dann einen Puffer", sagt Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Auch die Bankenrettungen im Zuge der Finanzkrise waren Einmaleffekte, wie die Budgetexpertin erklärt, "sie waren kein strukturelles Problem Österreichs".

Diese Rettungsmaßnahmen haben die Republik freilich ebenso Milliarden gekostet und die Verschuldung nach oben getrieben. Und das tut nun auch die Hypo. Das administrative Defizit erhöht sich laut Finanzminister Michael Spindelegger um 5,5 Prozent und wird sich bei etwa 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder 256,8 Milliarden Euro einpendeln.

"Von außen wird der Druck größer werden", sagt Schuh. Das administrative Defizit ist die zweite große Baustelle für die Regierung. Bis 2016 muss nicht nur das Budget strukturell ausgeglichen sein, die EU verlangt von ihren Mitgliedern auch, die Staatshaushalte in Ordnung zu bringen. Diese Forderung ist zwar nicht neu und das Schlagwort "Maastricht" längst in sämtliche Finanzglossare aufgenommen worden, "aber man hat bisher beide Augen zugedrückt", sagt Ulrich Schuh von EcoAustria. Nun sei das anders. "Der Gruppendruck ist jetzt schon groß."

Von nun also rund 80 Prozent Staatsverschuldung (gemessen am BIP) soll Österreich wieder unter 60 Prozent kommen - wie zuletzt 1992. In dieser Hinsicht ist die deutliche Zunahme der Verschuldung wegen der Hypo nun ein herber Rückschlag. Der Weg von 75 zu 60 Prozent wäre ohnehin weit genug gewesen, nun ist er quasi über Nacht noch weiter geworden.

Hoffen auf die Konjunktur

Die fescheste Art, die Verschuldungsquote zu reduzieren, wäre durch Erhöhung des BIP. So könnte der Schuldenstand in absoluten Zahlen gleich bleiben, der Anteil am Bruttoinlandsprodukt würde sich automatisch verringern. Nur kann sich das Österreich eben nicht aussuchen, ebenso wenig wie eine Familie ihre Produktivität beliebig erhöhen kann. Dass die Konjunktur wieder anspringt, ist aber nach wie vor mehr Hoffnung der Regierung als Realität. Im Vorjahr wuchs die Wirtschaft real um 0,4 Prozent.

Für die Regierung ist diese Entwicklung problematisch. Erstens sinkt die Defizitquote daher nicht von alleine, und zweitens baut der Budgetplan in Richtung Nulldefizit in nicht geringem Ausmaß auf der Hoffnung eines wirtschaftlichen Aufschwungs auf. Dass sowohl Spindelegger als auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer am Montag ein Sparprogramm in den kommenden Jahren nicht ausschlossen, hängt laut Schuh vor allem mit diesem Faktum zusammen, nicht mit der Hypo Alpe Adria.

"Wenn es einen Sparbedarf gibt, dann wegen des Versäumnisses, beim Konsolidierungspfad zu wenig ambitioniert gewesen zu sein", sagt Schuh, der die Maßnahmen der Regierung, etwa das bloße Zusammenstreichen der Ermessensausgaben der Ministerien, als "fantasielos" bezeichnet. Auch für Schratzenstaller ist Nachbesserungsbedarf unvermeidlich. "Es wird nicht ausreichen, das strukturelle Defizit zu erreichen."

Tritt dieser, von einigen Experten erwartete Fall ein, hat die Regierung nur zwei Möglichkeiten: die Einnahmen erhöhen oder die Ausgaben senken. Beides ist unpopulär, Letzteres noch deutlich aufwendiger. Zeit genug wäre jedenfalls, sagt Schratzenstaller. Heuer Reformen diskutieren, 2015 beschließen. "Das sollte man schon schaffen", sagt die Ökonomin.

Steuererhöhungen möglich

Ulrich Schuh ist da etwas pessimistischer. Sollte sich die Regierung zu lange der Hoffnung auf einen Konjunkturaufschwung hingeben, könnte die Zeit bis zum geplanten Nulldefizit knapp werden. "Und kurzfristig kann man nur bei den Einnahmen etwas machen", sagt Schuh. Das würde also eine Steuererhöhung bedeuten. "Aber eben nicht wegen der Hypo." Oder nicht direkt.

Die Hypo könnte aber jedenfalls einen dynamisierenden Effekt haben. Sie verlängert den Weg zum von der EU ausgegebenen Ziel einer maximalen Staatsverschuldung von 60 Prozent und verstärkt dadurch den Konsolidierungsdruck. Und das erhöht auch den Druck auf die Regierung für Reformen auf der Ausgabenseite.

"Man muss ja nicht bei Investitionen sparen", sagt Schuh, der Schweden als Vorbild nennt. Das skandinavische Land bekam seine aus den Ufern gelaufene Verschuldung in den Neunzigern in den Griff, ohne den Wohlfahrtsstaat zu zerstören oder die Investitionen auf null zu schrauben. "Es gibt in Österreich einen Wildwuchs, bei dem man ohne Schmerzen sparen könnte. Teilweise sind die Förderprogramme auch widersprüchlich", sagt Schuh. Einerseits wird ein ökologischer Lebensstil gefördert, dann erhöht die Regierung auf einmal die Pendlerpauschale.

Am Ende wird die Republik auch vor jenen Fragen stehen, mit denen Menschen konfrontiert sind, die ein plötzlicher Schadensfall trifft. Wie kann man vorsorgen? Wo spare ich ein, damit ich die Reparatur bezahlen kann? Und was leiste ich mir künftig nicht mehr? Eine Frage kann sich freilich nur die Regierung stellen: Sollen wir die Steuern erhöhen?